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Interview mit Valentin Inzko

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Berichte Bosnien

25 Jahre ist es her, dass mit dem Friedensvertrag von Dayton der Krieg in Bosnien und Herzegowina endete. Nicht zuletzt das jahrelange Zuschauen des Westens bescherte dem Land 100.000 Tote und zwei Millionen Flüchtlinge. Dayton beendete zwar den Krieg, doch schuf der Vertrag auch staatliche Strukturen für die drei Völker, die es Bosniaken, Serben und Kroaten jederzeit ermöglichen, einander zu blockieren. Eine Reaktion darauf ist die Abstimmung mit den Füßen, denn die Auswanderung ist stark und das Land zählt nur mehr etwas mehr als drei Millionen Einwohner. Wächter des Friedens ist der Hohe Repräsentant der UNO, eine Funktion, die seit 2009 der Österreicher Valentin Inzko bekleidet. Er ist damit der bei weitem am längsten dienende Diplomat in dieser Funktion. Mit ihm hat in Sarajewo unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz über die Perspektiven dieses Landes gesprochen; hier sein Bericht:

Über Bosnien und Herzegowina gibt es seit mehr als 10 Jahren kaum Positives zu berichten. Die Serben setzen in ihrem Teilstaat unter Milorad Dodik alles daran, damit der Gesamtstaat nicht funktioniert; doch auch das Verhältnis zwischen Bosniaken und Kroaten ist kein reibungsfreies. Das zeigt sich unter anderem daran, dass es 12 Jahre dauerte, ehe am Sonntag in Mostar wieder ein Gemeinderat gewählt werden konnte. Auch die EU-Annäherung verläuft im Schneckentempo; die Hauptschuld dafür tragen lokale Politiker, doch auch die Erweiterungsmüdigkeit der EU spielt eine Rolle. Dazu sagt Valentin Inzko:

16'59 -Bosnien und EU - 17'43

"Was die EU betrifft, so ist das der einzige Weg in der Zukunft, und es gibt 80 Prozent der Bevölkerung, die diesen Weg unterstützen. Mein Problem ist nur folgendes, man müsste diesen Weg beschleunigen. Die Leute haben nicht mehr Geduld und Zeit noch einmal 25 Jahre zu warten. Diese Perspektive ist zu weit weg, und das Land wird immer leere; nach Prognosen der UNO wird es 2070 nur noch 1,6 Millionen Bewohner geben. Viele treffen wir in Wien, in Schweden, in Deutschland, die sehr erfolgreich sind. Es muss sich hier etwas ändern, aber auch beschleunigt ändern. Die Geduld der Menschen geht zu ende."

Stärker am Balkan präsent ist nun wieder Russland; so besuchte jüngst Außenminister Sergej Lavrov auch Sarajewo, traf aber nur mit dem serbischen Vertreter im drei Personen zählenden Staatspräsidium zusammen, weil der Kroate und der Bosniake eine Gespräch verweigerten. Zu den russischen Aktivitäten sagt Inzko:

14'03 - Lawrow und RF und EU und Biden - 14'51

"Ich habe überhaupt keine Bedenken, dass Russland seine eigenen Interessen vertritt am Balkan und in Bosnien und Herzegowina; und eben auch Außenminister Lawrow, der Dodik zum vierten Mal getroffen hat, und Dodik hat auch Putin bereits zehn Mal getroffen; das sind russische Interessen, die muss man respektieren. Andererseits vermisse ich aber auch, dass die westlichen Politiker öfter hierher kommen, öfter die westlichen Werte, die europäische Zukunft, da gibt es ein gewisses Defizit."

Das OHR zählt nur mehr etwa 80 Mitarbeiter, die Friedenstruppe EUFOR 600 Soldaten, die EU-Mission aber mehr als 100 Mitarbeiter. Auch diese Personalstärke zeigt das gemischte Bild, das der Westen in Bosnien hinterlässt. Gefragt sei wieder ein stärkeres Engagement des Westens, betont Valentin Inzko:

19'12 19’29 - Biden,D, EU - 20'25

"Es kann nicht sein, dass wir eine staatliche Regulierungsagentur für Gas brauchen, und das dauert acht Jahre, und wir haben sie noch immer nicht; oder EUROPOL, seit fünf Jahren gibt es keine Filiale von EUROPOL hier. Wenn wir langsame weiterarbeiten, ist das auch ok, aber dann wird das ein leeres Land werden. Wir sollten die Präsenz der internationalen Gemeinschaft stärken, auch den OHR; ich habe da sehr gute Signale aus Berlin, dass es zu einer Stärkung des OHR kommen wird, personell und auch finanziell. Das wäre dann aber unsere letzte Chance; dann hätten wir ein dreichfaches B -Biden, Berlin, Brüssel. Es gibt immer weniger Menschen, die sich an Dayton erinnern, die dort dabei waren; es gibt immer weniger Menschen, für die Bosnien wichtig ist, es gibt neuere und größere Konflikte; aber diese Chance muss genützt werden, es ist die letzte."

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