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Wahlen verschärfen politische Krise in Bosnien

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Kleine Zeitung
Berichte Bosnien

In Bosnien und Herzegowina haben gestern allgemeine Wahlen stattgefunden. Obwohl die Wahllokale seit mehr als einem Tag geschlossen sind, lag bei Redaktionsschluss noch immer kein vorläufiges Endergebnis vor. Bereits fest steht, wer die Wahl zum obersten Organ des Gesamtstaates gewonnen hat, dem sogenannten Staatspräsidium, dem je ein Bosniake, Serbe und Kroate angehören. Dieses Ergebnis lässt vermuten, dass das Regieren nicht leichter werden wird. Denn bei den Serben siegte Milorad Dodik, der wiederholt mit der Abspaltung des serbischen Teilstaates gedroht hat; aller Voraussicht nach konnte Dodik auch bei den Wahlen zu Führung des serbischen Teilstaates seine dominante Rolle behaupten; das steht aber noch nicht endgültig fest, weil die Opposition eine Neuauszählung der Stimmen verlangt; vor allem bei der Wahl zum Präsidenten des serbischen Teilstaates liegen die Kandidaten von Regierung und Opposition zwar um 25.000 Stimmen auseinander, doch es gibt mehr als 40.000 Stimmen die als ungültig gewertet wurden. Die Forderung nach Neuauszählung ist somit berechtigt, zumal Milorad Dodik den serbischen Teilstaat bereits seit 12 Jahren dominiert und unabhängige, rechtsstaatliche Institutionen Mangelware sind.

Im Gegensatz dazu ist das Ergebnis der Wahl zum Staatspräsidium in der bosniakisch-kroatischen Föderation wahltechnisch unstrittig, politisch aber nicht. Denn bei den Kroaten gewann nicht der Bewerber der stärksten Partei, sondern Zeljko Komsic, der seinen Sieg vor allem den Stimmen der Bosniaken verdankt. Das ist möglich, weil zwei Mitglieder des Staatspräsidiums in der bosnisch-kroatischen Föderation gewählt werden, und die Kroaten keinen eigenen Teilstaat haben. Dieses Ergebnis dürfte die Frustration unter vielen Kroaten und die Angst vor einer Majorisierung stärken. Kritisiert hat dieses Resultat auch die kroatische Regierung. Auch die bosnischen Serben nützen das kroatische Beispiel immer wieder als Argument jede Abgabe von Kompetenzen an Sarajewo abzulehnen. Bei den Bosniaken siegte Sefik Dzaferovic, der Kandidat der stärksten Partei SDA, die ihre führende Rolle unter den Bosniaken gewahrt haben dürfte. Doch auch Dzaferovic dürfte vor allem deshalb gewonnen haben, weil viele Bosniaken statt des Herausforderers eben Zeljko Komsic wählten.

Hinzu kommt, dass die Wahl zum Parlament in der Föderation rechtlich fragwürdig ist, weil der Verfassungsgerichtshof das Wahlgesetz vor zwei Jahren aufgehoben hat. Auf ein neues Gesetz konnten sich Bosniaken und Kroaten nicht einigen.

Eineinhalb Jahre dauerten die Verhandlungen über diese Frage in Bern, doch alle auch internationalen Vermittlungsbemühungen fruchteten nichts; auch der hohe internationale Repräsentant, der Österreicher Valentin Inzko, legte einen Vorschlag vor; er wurde ebenfalls von der Parteien verworfen, doch schließlich durfte Inzko seinen Sondervollmachten nicht einsetzten; warum nicht? Darauf antwortet Inzko im Interview mit der Kleinen Zeitung so:

"Es gibt im Moment in der internationalen Gemeinschaft keine Stimmung dafür und auch im Friedensimplementierungsrat gab es dafür keine Unterstützung."

Ein klares Bild über die Machtverteilung in Bosnien und Herzegowina wird aber erst vorliegen, wenn auch die Ergebnisse in den zehn Kantonen ausgewertet sind, aus denen der bosniakisch-kroatische Teilstaat besteht. Wahlberechtigt waren 3,35 Millionen Bürger, die Wahlbeteiligung lag offiziell bei 53 Prozent; das ist aber nicht die ganze Wahrheit, weil viele Wähler im Ausland leben und außerdem viele Wählerlisten veraltet sind.

Der gemeinsame Nenner der drei Völker bleibt jedenfalls gering, doch das mögliche Ausmaß der politischen Krise wird sich erst abschätzen lassen, wenn die Ergebnisse für die Parlamente in Bosnien und Herzegowina vorliegen werden. Vor vier Jahren dauerte es jedenfalls mehr fast 18 Monate, bis in Bosnien und Herzegowina alle Regierungen gebildet werden konnten.    

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