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Lokalaugenschein an der Nebenroute des Balkan

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Berichte Bosnien

Die Gemeinde Velika Kladusa liegt ganz im Nordwesten von Bosnien und Herzegowina, keine fünf Kilometer von der kroatischen Grenze entfernt. Am Ortsrand der Gemeinde an einem Flüsschen auf einem Feld steht ein Lager mit kleinen Zelten, das gestern etwa 70 Personen beherbergte. Iraker, Syrer, Pakistani und Iraner sehen wir, wobei junge Männer stark vertreten aber auch Familien mit kleinen Kindern zu sehen sind. Versorgt wird das Lager von lokalen Helfern aus Velika Kladusa mit Nahrung, Kleidung oder Medikamenten.

Das Lager macht einen nur sehr provisorischen Eindruck; nach Angaben lokaler Helfer besteht es weniger als einen Monat. Ziel der Bewohner ist der illegale Übertritt über die Grenze nach Kroatien. Velika Kladusa ist nur etwas mehr als 100 Kilometer von Agram entfernt, die Hälfte davon ist Autobahn. Somit ist der Ort aus der Sicht von Migranten und Schleppern eine gute Absprungbasis für den weiteren Weg an die slowenische Grenze. Dazu genützt werden die „Grüne Grenze“ aber auch die zwei Grenzübergänge in der Nähe des Lagers. Am nächsten liegt Übergang Maljevac. Hier entdeckte die Grenzpolizei erst gestern drei Syrer, die sich am Unterboden eines Busses festgemacht hatten. Die drei Männer seien schwarz wie Bergleute gewesen, beschreibt ein Augenzeuge die Szene. Die Mehrheit der Übertritte wird aber über die grüne Grenze versucht; genützt werden dabei die kleinen Flüsse aber auch GPS, das über das Mobiltelefon als Wegweiser dient. Der Abschnitt der bosnisch-kroatischen Grenze ist vom Gelände her günstig für den illegalen Übertritt. Wälder und Hügel sind nicht so dicht oder so hoch, dass sie nur schwer passierbar wären. Dieser Umstand gilt nur für Teile der bosnisch-kroatischen Grenze, die etwa 930 Kilometer lang ist; das entspricht fast der Hälfte der gesamten Landgrenze Kroatiens.

Das Zeltlager in Velika Kladusa und die absoluten Zahlen sind im Vergleich zum Höhepunkt der Migrationsbewegung auf der Hauptroute des Balkan im Jahre 2015 noch immer klein. Drastisch sind aber die prozentuellen Zuwächse, die auf der nunmehrigen Nebenroute verzeichnet werden. So zählte Bosnien und Herzegowina im Jahre 2016 etwa 100 Rückweisungen von Migranten; nun wurde dieser Wert nach Angaben der Grenzpolizei bereits an einzelnen Tagen erreicht oder überschritten. Insgesamt zählte Bosnien in den ersten vier Monaten dieses Jahres 3.300 Zurückweisungen an der Grenze und 1.800 Aufgriffe von Migranten.

Drastische Zuwächse verzeichnet auch Slowenien; nach Angaben des Innenministeriums zählt Slowenien im November noch zwischen 15 und 20 Aufgriffe pro Tag, nunmehr sind es 35 bis 50 pro Tag, wobei vor allem Migranten aus Nordafrika stark zunehmen. Deutlich gestiegen sind auch die Asylanträge, obwohl Slowenien noch immer für die meisten Migranten nur ein Transitland ist. Slowenien ist die erste Schengen-Außengrenze der EU gegenüber dem Balkan; die Grenze zu Kroatien ist 670 Kilometer lang und an sich leicht passierbar, denn auch der teilweise vorhandene Stacheldraht bildet kein unüberwindbares Hindernis. Besorgt sei Slowenien über das Missverhältnis zwischen Aufgriffen an der EU-Außen- und der Schengen-Grenze, betont der Staatssekretär im Innenministerium Bostjan Sefic:

"Wenn an der Außengrenze der EU etwa zwischen Bosnien und Kroatien oder Serbien und Kroatien zum Beispiel 200 illegale Migranten aufgegriffen werden, so greifen wir an unserer Grenze 600 auf. Da haben wir ein Verhältnis zwischen ein zu drei oder eins zu zwei. All diese Migranten kommen über die EU-Außengrenze, deren Überwachung verstärkt werden muss.."

Ein Grund für den starken Anstieg der Migrationsströme sieht Sefic darin, dass die Zahl der Übertritte von der Türkei nach Griechenland heuer im Vergleich zum Vorjahr um 65 Prozent zugenommen haben. Ein weiteres Problem seien Visafreiheit zwischen der Türkei und Bosnien sowie nun auch zwischen Serbien und dem Iran. Nach inoffiziellen Angaben der Polizei eines Balkan-Landes sollen seit der Visfreiheit etwa 10.000 Iraner nach Belgrad geflogen aber nur 8.000 zurückgeflogen sein. Slowenien hat in diesem Zusammenhang bereits die EU-Kommission gewarnt, doch von entsprechenden Maßnahmen aus brüssel ist bisher nichts bekannt.

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