Interview mit dem Bürgermeister von Srebrenica
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Srebrenica hinterlässt bei einem Besucher nicht mehr den völlig deprimierenden Eindruck, den die Stadt noch vor einigen Jahren erweckte. Zwar sieht man noch immer Gebäude mit Einschusslöchern, doch ihre Zahl ist deutlich geringer geworden. Geringer geworden ist nach Ansicht des Bürgermeisters von Srebrenica, Camil Durakovic, auch die nationale Trennlinie zwischen Bosniaken und Serben:
"Die Menschen haben verstanden, dass das unser Schicksal ist, dass es keine Alternative gibt, und dass wir gemeinsam leben müssen, ohne eine Formel für die Aussöhnung. Wenn Menschen Arbeit haben, widmen sie sich weniger der Politik eines primitiven Nationalismus; Wir leben gemeinsam, weil wir hier sind, doch zu einer aufrichtigen Läuterung kam es nicht, vor allem nicht von Seiten der Serben."
Diese Vergangenheit lastet auf der Stadt in vielfältiger Weise. Vor dem Krieg zählte Srebrenica 37.000 Einwohner, nun sind es 7.000, je zur Hälfte Serben und Bosniaken. 2.500 Menschen haben Arbeit, etwa 2.000 sind arbeitslos gemeldet, viele aber nur formell, denn natürlich spielt auch in Srebrenica die Schattenwirtschaft eine Rolle. Etwa 300 Arbeitsplätze hat Bürgermeister Camil Durakovic in seiner ersten Amtszeit seit dem Jahre 2012 schaffen können. Dazu zählen Zulieferbetriebe für die Autoindustrie: Durakovic ist der einzige bosniakische Bürgermeister in einer Gemeinde des serbischen Teilstaates von Bosnien und Herzegowina; doch für die meisten wirtschaftlich relevanten Belange ist die Regierung des serbischen Teilstaates in Banja Luka zuständig. Dazu sagt Camil Durakovic:
"Daher ist es hier sehr schwer, etwas zu bewegen. Außerdem muss man bedenken, was hier alles vernichtet wurde. Einst hatten wir hier 13.000 Beschäftigte in den drei Industriezonen in Srebrenica; sie wurden zerstört; die Manager und viele Fachkräfte wurden ermordet. Und so muss man von Null beginnen, doch jeder Schritt ist einer zu einem besseren Morgen."
Das Potential dazu ist vorhanden, von Waldreichtum über die verlängerte Werkbank bis zum Anbau von Himbeeren, der in der Region deutlich zunimmt. Bekannt war Srebrenica bereit in der K und K Monarchie für sein Heilwasser; doch das Guber-Heilbad ist noch nicht wieder in Betrieb; die Gründe dafür erläutert Camil Durakovic so:
"Auch 20 Jahre nach Kriegsende rinnt das Heilwasser noch immer in den Kanal, obwohl das Wasser einst mehr Profit brachte als eine Goldgrube. Derzeit ist die Politik nicht bereit, dieses Potential zu nutzen. Denn bei der Privatisierung wurde einer der Eigentümer des Objekts, während der zweite von der Regierung der Republika Srpska die Nutzungsrechte am Wasser hat. Für die Gemeinde Srebrenica ist das Heilbad Guber, das wichtigste Projekt überhaupt, doch wir sind die Sklaven eine Politik, die das offensichtlich nicht zulassen will."
Das gilt nicht nur für Srebrenica, sondern für Bosnien überhaupt. Denn die gesamte Lage des Staates wäre besser, hätten Politiker alle Volksgruppen weniger auf ethnische Teilung und mehr auf wirtschaftliche Entwicklung gesetzt.