× Logo Mobil

Interview mit dem Bürgermeister von Srebrenica

Radio
FJ7
Berichte Bosnien
In Srebrenica wird heute wieder des Massakers an mehr als 7.000 Bosniaken gedacht. Am 11. Juli 1995 fiel die UNO-Schutzzone in die Hände der Truppen der bosnischen Serben unter General Ratko Mladic, zwei Tage später begann das große Morden. Srebrenica ist bis heute durch das Massaker gezeichnet trotzdem versucht die Stadt diese erdrückende Erblast langsam zu verringern und hofft dabei vor allem auch auf den Fremdenverkehr, hat die Region doch mehr zu bieten als nur eine Gedenkstätte. Mit Camil Durakovic, dem Bürgermeister von Srebrenica, hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz gesprochen, hier sein Bericht über eine Stadt, die ihr internationales Image schrittweise ändern will:

Der 1979 geborene Camil Durakovic ist selbst ein Rückkehrer. Nach dem Massaker im Juli 1995 wanderte er in die USA aus, studierte und kehrte dann zehn Jahre später nach Srebrenica zurück. Wie sehr der Krieg die Einwohnerschaft der Stadt verändert hat, erläutert Bürgermeister Camil Durakovic:

„Ständig leben hier derzeit 7.000 Bewohner; doch die offizielle Einwohnerliste umfasst 13.000; das heißt 6.000 sind zwar hier gemeldet aber de facto nicht hier. Von den 7.000 Bewohnern sind 3.000 Bosniaken und 4.000 Serben. Vor fünf Jahren war das ganz anders; damals waren 80 Prozent Serben, während es vor dem Krieg 80 Prozent Bosniaken und 20 Prozent Serben waren – und zwar von damals 37.000 Einwohnern. Der demographische Kollaps war somit schrecklich; doch Srebrenica hat nicht nur Menschen verloren, sondern auch seine Infrastruktur; dazu zählt sein intellektuelles Potential wie Professoren, Ingenieure und Doktoren.“

Dabei war Srebrenica vor dem Krieg durch sein reiches historisches Erbe und vor allem durch seine Heilquellen bekannt, die der Stadt 80.000 Nächtigungen bescherten. Nunmehr sind es zwischen 10.000 und 20.000, und das sind vor allem Personen, die die Gedenkstätte für das Massaker besuchen. Dabei verfügt Srebrenica über Ausgrabungen aus der Römerzeit und aus dem Mittelalter, weil die Stadt wegen ihrer Silber- und Erzvorkommen wichtig war. Dieses Erbe ist kaum erschlossen und das Heilbad wurde im Krieg zerstört. Seinen Wiederaufbau betreibt ein Serbe, der jedoch in Banja Luka, der Provinzhauptstadt des serbischen Teilstaates von Bosnien offensichtlich starke Gegner hat. Das Projekt kommt daher kaum vom Fleck; aber nicht nur deshalb ist auch Camil Durakovic auf Banja Luka nicht gut zu sprechen:

„Alle natürlichen Ressourcen kontrolliert Banja Luka. Dort vereinbart das zuständige Ministerium mit privaten Investoren die Verträge über Konzessionen und wir bekommen davon nur eine kleine Taxe. Solange jedoch die Gemeinde für ihre lokalen Ressourcen nicht zuständig ist, wird es schwierig sein, die vorhandenen Potentiale zu entwickeln, wie etwa Wälder, Jagd oder Fischerei. Denn für alles brauchen wir eine Genehmigung durch den serbischen Teilstaat, dessen Institutionen alles tun, damit es hier zu keiner Entwicklung kommt."

Generell ist der Osten Bosniens unterentwickelt und nicht nur Srebrenica, wo sich einige Industriebetriebe wieder angesiedelt haben. Trotzdem ist noch jeder Fünfte Bewohner arbeitslos. Das Budget von fünf Millionen Euro reicht für die Fixkosten, nicht aber für die Entwicklung. In Srebrenica gibt es kein Hotel das westlichen Ansprüchen genügt; daher wird das Tourismusbüro, wohl weiter wenig zu tun haben. Und es werden wohl noch Jahre vergehen, bis Srebrenica nicht nur durch das Massaker, sondern wieder durch sein Heilwasser bekannt ist, das im 19. Jahrhundert nach ganz Europa exportiert wurde.

Facebook Facebook