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Verfassungsreform in Bosnien gescheitert - Inzko desavouiert

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Berichte Bosnien
In Bosnien und Herzegowina wieder ein Versuch von USA und EU gescheitert, eine Reform der Verfassung durchzusetzen. Ziel der gemeinsamen Initiative von Washington und Brüssel war es, aus Bosnien einen Staat zu machen, der in der Lage sein soll dereinst der EU beizutreten. So hätte etwa die Zentralregierung gestärkt und die Rolle der beiden Teilstaaten geschwächt werden sollen. Doch Serben, Bosnjaken und Kroaten lehnten die Reformvorschläge ab. Über die Gründe der Ablehnung und über die Folgen des Scheiterns der Reformbemühungen berichtet aus Bosnien unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Die Vorstellungen der drei konstituierenden Völker von der Zukunft des Staates Bosnien und Herzegowina sind höchst unterschiedlich. Die stärkste Volksgruppe, die muslimischen Bosnjaken, wollen mehrheitlich einen starken Zentralstaat; Kroaten und Serben fürchten eine Majorisierung durch die Bosnjaken und wollen einen dezentralen Staatsaufbau. Daher lehnten alle drei Volksgruppen die Reformvorschläge von EU und USA ab. Kroaten und Serben gehen sie zu weit; den Bosnjaken nicht weit genug, vor allem weil das Veto-Recht der beiden Teilstaaten erhalten geblieben wäre. Damit können die zwei Entitäten, die Republika Srpska und die bosnjakisch-kroatische Föderation, Gesetze blockieren. Lediglich Suleiman Tihic, der Vorsitzende der stärksten Partei der Bosnjaken, konnte sich ein wenig mit dem Reformpapier anfreunden. Trotzdem sagte auch Tihic:

„Das ist nicht genug; das löst vor allem nicht das Problem effizienter und funktioneller Institutionen. Unserer Ansicht nach muss das Problem der Blockade der Institutionen gelöst werden; das betrifft vor allem das Veto-Recht der Entitäten. Außerdem muss ein Oberster Gerichtshof geschaffen werden.“

Beide Forderungen sind für Milorad Dodik, den Regierungschef des serbischen Teilstaates, unannehmbar. Nach den Verhandlungen sagte Dodik sogar:

„Ich glaube, dass die Unterschiede weit größer sind als sie früher waren. Herr Tihic hat die Bildung eines Obersten Gerichtshofes gefordert, was für uns natürlich nicht annehmbar ist. Doch wahrscheinlich ist für ihn nicht annehmbar, dass in der Verfassung das Recht der Entitäten auf ein Referendum über ihren Status verankert wird, wie wir das fordern.“

Wie es nach dem Scheitern der Verhandlungen in Bosnien weitergehen soll ist offen. Offen ist auch, ob das OHR, das Büro des internationalen Bosnien-Beauftragten, wie geplant mit Jahresende geschlossen werden kann. Dieses Amt übt derzeit der Österreicher Valentin Inzko aus. Das Amt verfügt über großen Vollmachten; es soll durch einen EU-Sonderbeauftragten ersetzt werden. Für die OHR-Auflösung spricht, dass EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn und Schwedens Außenminister Carl Bildt als Vertreter der EU-Präsidentschaft, das OHR durch ihre Verhandlungen mit den bosnischen Politikern desavouiert haben. Denn Valentin Inzko war weder in die Vorbereitung noch in die Gespräche selbst wirklich eingebunden. Das veranlasste drei seiner Amtsvorgänger zu einer Erklärung. Darin heißt es, dass die Art der Vorbereitung der Gespräche die Autorität und die Integrität der internationalen Gemeinschaft und des künftigen EU-Sondergesandten gefährdet hat. Die Reform Bosniens hängt somit stärker denn je von lokalen politischen Eliten ab; sie müssen nun zeigen, ob sie Bosnien überhaupt in die EU führen wollen.

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