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Bosnien, Reformen, Wirtschaft 10 Jahre nach Dayton

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Berichte Bosnien
Heute vor zehn Jahren endete mit der Unterzeichung des Friedensvertrages von Dayton der Krieg in Bosnien und Herzegowina. Neben hunderttausenden Opfern, Toten, Flüchtlingen und Vertriebenen, lagen auch Wirtschaft und Infrastruktur am Boden. Zehn Jahre später hat sich das Land do spürbar gewandelt. Zwar bleibt die Rückkehr von Flüchtlingen letztlich unbefriedigend, doch politisch hat sich die Lage stabilisiert. Statt einst 60.000 sind nur mehr 7.000 internationale Soldaten im Land. Geführt werden die Soldaten nun von der EU; sie wird mit Bosnien noch in diesem Jahr Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen aufnehmen. Größter Hemmschuh auf dem Weg Richtung Brüssel ist jedoch nach wie vor die Staatsstruktur, die mit dem Vertrag von Dayton geschaffen wurde. Denn der Staat besteht noch immer aus zwei Teilstaaten, der bosnjakischen-kroatischen Föderation und der Republika Srpska, die nur sehr langsam bereit sind, Kompetenzen an Sarajevo abzugeben. Was das für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bedeutet, darüber berichtet aus Sarajevo unser Korrespondent Christian Wehrschütz:

Zehn Jahre nach Kriegsende ist Bosnien ein makroökonomisch stabiler Staat. Die Inflation liegt bei etwa einem Prozent, das Budget ist ausgeglichen und die Währung ist stabil und klar an den Euro gebunden. Hoch sind dagegen die bürokratischen Kosten in einem Land mit vier Millionen Einwohnern, das etwas mehr als halb so groß ist wie Österreich. Denn es gibt zwei Teilstaaten, drei Regierungen, zehn Kantone, und noch den Sonderdistrikt Brcko. Diese Gliederung hat der Friedensvertrag von Dayton geschaffen. Was das für ein Land mit einer Wirtschaftsleistung von etwas mehr als sieben Milliarden Euro bedeutet, schildert der Leiter des Weltbankbüros in Sarajevo, Dirk Reinermann, so:

„Wir schätzen, dass die Regierungsausgaben hier ungefähr 54 Prozent des Bruttosozialprodukts ausmachen. In der Region sind üblich vielleicht 35 bis 40 Prozent. Das heißt, wir haben ein Regierungsapparat, der zu groß ist, zu viel absorbiert und die Privatwirtschaft letztlich verdrängt. Das ist anders als in anderen Transitionsländern in der Nachbarschaft, wo der Regierungsapparat von vorne herein zentraler war und kleiner war.“

Zu leiden haben unter diesem komplizierten Staatswesen jedoch auch die Bürger. Hohen Ausgaben stehen geringe Leistungen und mangelnde Effizienz gegenüber, wie Dirk Reinermann am Beispiel des bosnischen Gesundheitswesens erläutert:

„ Im Gesundheitssektor werden hier in etwa 13 Prozent des Bruttosozialprodukts ausgegeben; acht Prozent öffentliche, formale Ausgaben und fünf Prozent informelle Ausgaben. Darunter gehört auch die Flasche „Slivovitz“, die man dem Arzt geben muss, damit man behandelt wird. 13 Prozent ist ungefähr 3 bis 4 Mal so hoch wie in vergleichbaren Ländern in der Region. Wenn man allerdings die Gesundheitsindikatoren ansieht, Kindersterblichkeit, Müttersterblichkeit, sind die Werte, fast identisch wie in der Region. Das heißt, hier wird 3 oder 4 Mal soviel ausgegeben, um die gleichen Ergebnisse zu erreichen. Und das ist eben, weil wir hier zwölf Gesundheitsfonds haben und zwölf Gesundheitsministerien auf den Kanton, auf der Entitätsebenen, und in Brcko; und das macht die Sache so teuer.“

Während der Staatsapparat auf einer Seite aufgebläht ist, fehlen auf der anderen Seite zentrale Institutionen. So soll die Polizei erst binnen fünf Jahren wirklich vereinheitlicht werden. Solange wird Bosnien jedenfalls mit der Bildung von Ministerien für Außenhandel und Landwirtschaft nicht warten können, die auf dem Weg Richtung EU unerlässlich sind. Trotzdem gibt es auch positive Seiten. So wurde mit der Mehrwertssteuer zu ersten Mal nun eine gesamtstaatliche Steuer geschaffen; einfacher werden soll auch das Unternehmensrecht, denn eine Registrierung soll genügen. Was das bisher bedeutet, beschreibt Reinermann so:

„Das Hauptproblem ist die Schwierigkeit, ein Unternehmen zu registrieren. Das fängt mit Lizenzen an, hat damit zu tun, wenn man hier ein Unternehmen registrieren muss, es ist in der Föderation und der Republika Srpska parallel registriert werden muss. Das hat was mit der Rechnungslegung zu tun. Sie müssen im Prinzip zwei Bücher führen, eins in der Föderation, eins in der Republika Srpska, das in der Srpska muss in Kyrillisch geführt werden.“

Trotz aller Schwierigkeiten ist die Weltbank für die Zukunft optimistisch. Die Debatte über eine Dayton-Reform werde stärker, die Zahl der ausländischen Investoren steige sichtbar an, und auch die Wirtschaftsdaten zeigten, dass Bosnien – langsam aber sicher auf dem richtigen Weg sei. Dirk Reinermann:

„Wir haben im letzten Jahr 2004 6,2 Prozent reales Wirtschaftswachstum gehabt. Also wir haben den Eindruck, dass die Wirtschaft wächst trotz der Regierung, nicht wegen der Regierung. Wir haben sehr große Schwierigkeiten mit der Bürokratie, mit der Regulierungswut, aber trotzdem wächst die Wirtschaft und die Schattenwirtschaft wächst noch stärker. Das heißt, hier ist ein sehr großer unternehmerischer Esprit vorhanden, der trotzdem funktioniert. Deswegen bin ich relativ hoffnungsvoll, dass diese Wirtschaft wachsen wird.“

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