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Bosniens EU-Annäherung in der Sackgasse

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Berichte Bosnien


Im November 1995 beendete der Friedensvertrag von Dayton den Krieg in Bosnien. Knapp zehn Jahre später hätten nun die Verhandlungen zwischen Sarajewo und Brüssel über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen beginnen sollen, um das Land näher an die EU heranzuführen. Doch Bosniens EU-Annäherung ist in eine Sackgasse geraten. Grund dafür ist die vorläufig gescheiterte Polizeireform, die zu einer einheitlichen gesamtstaatlichen Polizei hätte führen sollen. Gescheitert ist die Reform am Widerstand der serbischen Teilrepublik, die nicht bereit war, Kompetenzen an den bosnischen Gesamtstaat abzutreten. Über Hintergründe und Folgen dieses Scheiterns berichtet nun unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Der Friedensvertrag von Dayton beendete zwar den Krieg in Bosnien, doch er schuf auch einen äußerst kompetenzarmen Gesamtstaat, denn die wahre Macht lag bei den zwei Teilrepubliken, der bosnisch-kroatischen Föderation und der serbischen Teilrepublik. Um dieses komplizierte Staatswesen einigermaßen lebensfähig und EU-reif zu machen, versucht der Westen Schritt für Schritt den Dayton-Vertrag auszuhöhlen und den Gesamtstaat zu stärken. Daher wurde der Beginn von Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen von der EU an eine Polizeireform geknüpft. Die Polizei liegt in der Zuständigkeit der zwei Teilstaaten, denn der Gesamtstaat hat derzeit nicht ein Mal ein Innenministerium. Hinzu kommt noch der autonome Distrikt Brcko, der ebenfalls über eine eigene Polizei verfügt. Die Zuständigkeiten sind strikt getrennt, ein Umstand, der den Kampf gegen die Kriminalität erschwert. Außerdem spiegelt die Polizei die ethnische Trennung zwischen Serben, Bosnjaken und Kroaten wider. So gehören etwa in der serbischen Teilrepublik weniger als zehn Prozent der Polizisten einer nicht-serbischen Nationalität an. Weiters soll der serbische Polizeiapparat auch mitverantwortlich dafür sein, dass führende mutmaßliche Kriegsverbrecher noch immer in Freiheit sind. Um diesen Staat im Staate aufzubrechen, um die ethnische Trennung zu mindern und die Effizienz der Polizei zu erhöhen, stellte die EU drei Bedingungen für die Polizeireform. Erstens soll die finanzielle und gesetzliche Zuständigkeit beim Gesamtstaat liegen, zweitens sollte die Polizei entpolitisiert werden; und drittens verlangte die EU, dass die administrative Zuständigkeit der Polizei über die Grenzen der Teilstaaten hinausgeht, indem fünf bis zehn Polizeidistrikte geschaffen werden. Diese Vorschläge hat nun das Parlament des serbischen Teilstaates abgelehnt. Gescheitert ist damit vorläufig nicht nur die Polizeireform, sondern auch die EU-Annäherung könnte für mehr als ein Jahr auf Eis liegen; denn kommenden Herbst werden in Bosnien die Parlamente neu gewählt, und ein Einlenken der Serben ist in einem Wahljahr kaum zu erwarten. Das bedeutet, dass Bosnien das Land im ehemaligen Jugoslawien sein wird, das auf dem Weg Richtung EU am weitesten zurückliegt. Denn mit Serbien-Montenegro will die EU im Oktober die Verhandlungen über das Stabilisierungsabkommen aufnehmen, mit allen anderen Ländern sind sie bereits abgeschlossen. Dieser Umstand ist ein Beweis für den fehlenden regionalen Ansatz der EU am Balkan. Denn gerade Serbien hat den bosnischen Serben bei ihrer Ablehnung der Polizeireform massiv den Rücken gestärkt. Belgrad will damit auch ein Faustpfand in Händen halten, um seine Position bei den bevorstehenden Gesprächen über den endgültigen Status des Kosovo zu verbessern. Doch offensichtlich haben die EU und ihre Mitglieder diese Politik akzeptiert, und Bosnien zahl wieder ein Mal die Zeche. Wie Meinungsumfragen zeigen, sieht die Jugend aller drei Nationalitäten mit großem Pessimismus in die Zukunft. Dieses Gefühl, das schwarze Loch des Balkan zu sein, werden die blockierte Annäherung an die EU und die eher dürftige Reformbilanz zehn Jahre nach Kriegsende noch verstärken, zumal Serbien bereits fünf Jahre nach dem Sturz von Slobodan Milosevic Bosnien auf dem Weg Richtung EU überholen dürfte.

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