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Osim und Sarajevo

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Sturm-Trainer Ivica Osim stand und steht dieser Tagen gleich in doppelter Hinsicht im Mittelpunkt des Interesses. Heute abend spielt seine Mannschaft Sturm Graz gegen den spanischen Klub Valencia in der Champions League; und vor knapp einer Woche ist die bosnische Fußballer-Legende Ivica Osim zum Vize-bürgermeister der bosnischen Hauptstadt Sarajevo gewählt worden. Dieses Amt hat vor allem symbolische Bedeutung und wird Osim daher in seiner Tätigkeit als Trainer von Sturm Graz kaum behindern. Osim soll seiner Heimatstadt Sarajevo vor allem bei der Bewerbung um die Olympischen Winterspiele des Jahres 2010 helfen. Sarajevo war bereits im Jahre 1984 Aus-tragungsort Olympischer Winterspiele. Acht Jahre später stand die Stadt, belagert von serbischen Truppen, durch Krieg und Tod neuerlich im Mittelpunkt des Weltinteresses. Diese Wunden, die nach wie vor bestehen, soll Osim heilen helfen. Was sagen nun eigentlich die Bürger Sarajevos zu ihrem neuen Vizebürger-meister Ivica Osim. Unser Jugoslawien-Korrespondent Christian Wehrschütz hat dazu Bürger und Politiker in Sarajevo befragt und folgenden Bericht gestaltet.

Zitat-Ivica Osim: „Die Leute, die noch immer hier sind, die sind sozusagen verliebt in Sarajevo. Das ist für mich eine Hoffnung, dass diese Stadt wieder wird was sie einmal war, oder noch besser.“

Diese Liebeserklärung an seine Heimatstadt Sarajevo machte Ivica Osim vor zwei Jahren bei einer ORF-3Sat-Fernsehdoku-mentation mit dem Titel „Ivica Osim – Mein Sarajevo“. Die knapp 300.000 Einwohner zählende Stadt weiß um diese Liebe und um die große Popularität ihres Sohnes; und so trat der 28 Mit-glieder zählende Gemeinderat am 27. Februar dieses Jahres zu-sammen und wählte Ivica Osim einstimmig zum Vizebürgermeister von Sarajevo. Ein Namensschild mit der Bezeichnung, „Zamjenik Gradonacelnika“, auf Deutsch Vizebürgermeister, gibt es schon. Die Wahl Osims hängt mit der Bewerbung Sarajevos für die Olym-pischen Winterspiele des Jahres 2010 zusammen. Osim soll für seine Heimatstadt das vollbringen was Franz Beckenbauer für Deutschland oder Karl Schranz für Österreich vollbracht haben – und ein großes internationales Sportereignis in seine Hei-mat holen. Die Bürger Sarajevos sehen Osims Wahl zum Vize-Bürgermeister auch in diesem Zusammenhang sehr positiv, wie eine Straßenbefragung zeigt:

„Ich halte das für eine gute Entscheidung in dieser Situation, weil sich Sarajevo für die Olympischen Winterspiele in 10 Jahren beworben hat.“

„Osim ist ein Mann von Welt, klug ein Fußballexperte und ein großer Demokrat, eine gute Persönlichkeit. Er könnte Sarajevo helfen bei der Olympia-Bewerbung, denn er ist populär in Österreich, Europa und in der Welt.“

„Osim kann viel tun, denn er ist der einzige und bekannteste von unseren Sportlern in der Welt.“

Ein Sarajlia, so heißen die Bürger Sarajevos auf Bosnisch, schlägt Osim sogar für noch höhere Ämter vor:

„Osim sollte sogar Bürgermeister oder Staatspräsident werden, denn ein Deutscher ist ein Deutscher.“

Der Mann spielt mit dieser Bezeichnung auf Osims deutsche Vor-fahren und einst blonde Haare an, die ihm den Spitznamen Schwabe, also Deutscher eingetragen haben.

Elf Jahre spielte Osim in Sarajevo für den Eisenbahnerklub Zeleznicar, den er dann auch acht Jahre als Trainer betreute. Osim war auch der letzte Trainer der Fußballnationalmannschaft des alten Jugoslawien; 1992 trat er als Zeichen des Protests gegen den Krieg und die Belagerung Sarajevos zurück. Seine Frau und eine Tochter blieben während des gesamten Krieges in ihrer Stadt. In seiner neuen Funktion als Vizebürgermeister wird Ivica Osim kaum über Kompetenzen verfügen. Denn die Stadt Sarajevo hat nur ein Budget von etwa 56 Millionen Schilling; die meisten Zuständigkeiten liegen beim Kanton Sarajevo, des-sen Budget mehr als zwei Milliarden Schilling beträgt. Trotz-dem ist Osims Wahl von großer symbolischer Bedeutung in einer Stadt, in der Ämter nach den drei Völkern Bosniens verteilt werden. Der Bürgermeister ist Bosniake, also ein bosnischer Moslem; seine beiden Stellvertreter sind ein Serbe und eben Ivica Osim, ein gebürtiger Kroate, der stets erklärt hat, sich als Bosnier zu fühlen. In einer Zeit, in der nationalistische Kroaten Bosnien neu ordnen wollen und das Land nach wie vor um seinen Zusammenhalt ringt, ist Osims Wahl somit auch ein posi-tives politisches Signal. Seine Bereitschaft, dieses Amt anzu-nehmen wird denn auch von der politischen Führung gewürdigt.

So sagt der Hohe Repräsentant für Bosnien, der Österreicher Wolfgang Petritsch, über den neuen Vizebürgermeister Sarajevos:

„Zum ersten freue ich mich, dass die Behörden hier die längerfristige Perspektive auch einmal in Angriff nehmen. Ich glaube auch, dass die olympischen Spiele 2010 möglicherweise eine Utopie sind, aber eine sehr konkrete Vorstellung und vor allem eine Perspektive aufzeigen. Und da glaube ich, dass Ivica Osim mit seiner Berühmtheit vor allem hier, aber auch im restlichen Europa vielleicht etwas dazu beitragen kann, dass sich insgesamt das Image Bosnien-Herzegowinas zum Positiven wendet. Denn das brauchen wir als Voraussetzung für ein weiteres positives Engagement insbesondere im Bezug auf Wirtschaftsinvestitionen.“
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