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Bosnien wählt

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In Bosnien und Herzegowina finden Anfang Oktober Parlamentswahlen statt. Zum ersten Mal wird das Parlament für vier Jahre gewählt. Vor allem der Westen hofft, daß sich die reform-orientierten und pro-europäischen Parteien behaupten werden können. Denn Bosnien ist nach Jahren des großen Interesses und der massiven Hilfe von den Schlagzeilen der Weltpresse verschwunden. Vielen gilt das Land auch sechs Jahre nach Kriegsende noch immer als Be-weis für die schweren Fehler des Westens auf dem Balkan, für Massenmord, für Korruption sowie für den dornigen Weg zurück nach Europa. Obwohl viele dieser Bilder richtig sind, gibt es auch Anzeichen für einen vorsichtigen Optimismus, etwa was die Flüchtlingsrückkehr betrifft, die spät aber doch in Gang gekommen ist. Ein Beispiel dafür ist die Region Derventa, im bosnisch-kroatischen Grenzgebiet. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat dieses Gebiet und andere Regionen Bosniens besucht und den folgenden Beitrag gestaltet:

Das bosnisch-kroatische Grenzgebiet an der Save war einst ein Zentrum der Industrie; es wurde im Krieg besonders in Mitleidenschaft gezogen und um Jahre zurückgeworfen. Im Dorf Bosanski Dubocac lebten vor etwa zwei Jahren nur wenige alten Menschen sowie die Familie Bajric, Vater, Mutter und zwei Kinder. Sie waren aus Deutschland zurückgekehrt. Nun ist die Lage besser geworden. Von den einst 550 Bewohnern sind 150 zurückgekehrt, mehr Kinder sind zu sehen; der Wiederaufbau macht Fortschritte, den vor allem das Hilfs-werk Austria mit Mitteln der EU unterstützt hat. Auch das Zentrum hat sich in den 18 Mona-ten verändert. Nun versorgt ein kleines Geschäft die Bewohner mit dem Nötigsten, doch ist der Umsatz mit 100 Euro pro Tag noch bescheiden. Auch Sedmia Bajric, ist optimisti-scher, obwohl es noch immer viele Minen gibt und die Schule in der Bezirkshauptstadt Derventa nur mit dem Auto zu erreichen ist:

„Die Zukunft ist schon besser die Rückkehr ist ziemlich groß, aber nur wegen der Arbeit. Wenn es noch mehr Arbeit gibt, wo man ein bisschen etwas verdienen kann, ist es noch besser.“

Unterstützt wird die Familie von Verwandten aus dem Ausland, denn Arbeit hat der Vater bisher weder im Dorf noch in Derventa gefunden. Vor dem Krieg lebten hier 58.000 Per-sonen, je etwa 40 Prozent Serben und Kroaten und etwa 12 Prozent Bosniaken. Nun zählt Derventa 36.000 Einwohner, knapp die Hälfte der Bosniaken ist zurückgekehrt, doch die Abwanderung der Kroaten hält an. Viele Betriebe stehen noch immer still, doch es gibt auch Lichtblicke wie die Fabrik UNIS. 360 Mitarbeiter zählt das Werk, das im Mai privatisiert wurde. Der Durchschnittslohn liegt bei 125 Euro im Monat. Milka Delja, die Direktorin des Werks, sieht die Zukunft ebenfalls optimistisch:

„Bis zu diesem Jahr arbeitete die Fabrik mit weniger als 50 Prozent ihrer Kapazitäten. Doch noch heuer wollen wir 100 Prozent wieder erreichen, daß heißt, daß wir Rohre in einem Aus-maß von 45.000 Tonnen produzieren werden.“

Vorsichtig optimistisch beurteilen auch österreichische Firmen die Lage. In die Holz- und Zementindustrie sind Österreicher eingestiegen, auch sämtliche Banken sind in Bosnien und vor allem in Sarajevo vertreten. Jüngst öffnete auch die Bank Austria eine Filiale. Gleich-zeitig zeigt jedoch eine Marktuntersuchung der Bank wie weit Bosnien von westlichen Stan-dards entfernt ist. Nur knapp ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung hat eine Bankverbin-dung, nur 15 Prozent haben überhaupt ein Konto. Offizielle Arbeitslosigkeit und Schatten-wirtschaft sind ebenso groß wie Außenhandelsdefizit, Staatsverschuldung und die Bürokratie. Beim Wiederaufbau ist viel geschehen, trotzdem sind Straßen- und Eisenbahnverbindungen schlecht. Positiv entwickelt sich die Zusammenarbeit mit Kroatien und Serbien, seit einigen Monaten gibt es sogar wieder drei Mal die Woche einen Flug Belgrad-Sarajevo. Blickt man jedoch auf das Geld, das vor allem der Westen bisher für Bosnien ausgegeben hat, so ist das Bild ernüchternd. Dazu sagt der Stellvertreter des internationalen Hohen Repräsentanten, der Amerikaner Donald Hays:

„Klar ist, daß die regelmäßig genannten Zahlen von sechs bis sieben Milliarden Dollar nicht ein Mal annähernd den Kosten entsprechen, die die Internationale Gemeinschaft in Bosnien gehabt hat. Es gibt keinen Weg die gesamte Unterstützung zu kalkulieren, die die Länder in diesen sechs Jahren geleistet hat. Ich würde sagen, es waren etwa 40 Milliarden Dollar.“

Schuld an diesem Mißverhältnis zwischen Mitteleinsatz und Ergebnis ist auch der Westen. Er hat mit dem Friedensvertrag von Dayton ein äußerst kompliziertes Staatswesen geschaffen, dessen Regierung und Bürokratie viel zu teuer sind, wie auch Donald Hays bestätigt:

„Die Weltbank wird in Küre eine Studie veröffentlichen die zeigt, daß 60 Prozent des Brutto-inlandsprodukts für das Regieren aufgewendet werden., daß nicht genügend Mittel bereit ge-stellt werden, um die Qualität der erforderlichen Leistungen zu erbringen für Erziehung, Gesundheitswesen, Pensionen und Löhne. Es ist unmöglich zu glauben, daß ein ehrlicher Politiker oder Polizist von dem Geld leben kann, daß er bekommt.“

Nur wenn nach der Wahl die neue Führung gemeinsam mit dem Westen die Kraft zu einer umfassenden Reform des Staates aufbringen, wird Bosnien die erstrebte Annäherung an die EU schaffen, ein prosperierendes Gemeinwesen werden und als multiethnischer Staat erhalten bleiben können.
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