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Dreier-Gipfel in Sarajevo

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Berichte Bosnien
In Sarajevo kommt es heute zu einem historischen Gipfeltreffen. Zum ersten Mal seit dem Ende des Krieges in Bosnien und Herzegowina vor mehr als sechs Jahren werden der jugoslawische Präsident Vojislav Kostunica und Kroatiens Präsident Stipe Mesic nach Sarajevo kommen und mit Beriz Belkic, dem Vor-sitzenden des bosnischen Staatspräsidiums zusammentreffen. Zu den zentralen Themen wird die beschleunigte Rückkehr der Flüchtlinge zählen. Daß die Be-ziehungen zwischen den drei ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken noch belastet sind, zeigt der Umstand, daß in Sarajevo nur zwei Tage vor dem Treffen mehrere hundert Plakate aufgetaucht sind. Sie zeigen Vojislav Kostunica mit einer Kalaschnikow in der Hand. Denn viele Bosnijaken haben noch immer massive Vorbehalte gegen Jugoslawien und gegen Kostunica, der als serbischer Nationalist angesehen wird. Aus Belgrad berichtet über das bevorstehende Treffen unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Das Treffen zwischen dem Vorsitzenden des bosnischen Staatspräsidiums Beriz Belkic, dem jugoslawischen Präsidenten Vojislav Kostunica und dem kroatischen Präsidenten Stipe Mesic in Sarajevo zeigt, daß trotz aller Probleme zwischen den drei Staaten eine neue Ära begonnen hat. Konkret werden die drei Politiker ein Abkommen über die verstärkte Rückkehr von Flüchtlingen sowie über einen besseren Informationsaustausch im Zusammenhang mit vermißten Staatsangehörigen unterzeichnen. Wie massiv die Folgen der Kriege noch präsent sind, zeigen folgende Zahlen. So ist in Kroatien die Zahl der Serben binnen 10 Jahren von 12 auf vier Prozent und damit auf etwa 200.000 gesunken. Gleichzeitig leben in Jugoslawien etwa 470.000 Flüchtlinge aus Kroatien und Bosnien. In Bosnien selbst ist die Rückkehr der Flüchtlinge nun zwar wirklich in Gang gekommen, doch gibt es noch immer 430.000 Binnenvertriebene. Zur Lage in Bosnien, sagt der österreichische Botschafter in Sarajevo Gerhard Jandl:

„Es gibt jetzt sehr massiv auch das, was wir die so genannte Minderheitenrückkehr nennen. Das heißt, die Rückkehr in ein Gebiet, wo man dann von der Zahl her der geringeren Volksgruppe angehören wird. Ein wichtiges Problem dabei allerdings ist, dass diese so genannten Minderheitenrückkehrer sehr oft keine Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Die Arbeitslosigkeit ist landesweit ohnehin sehr groß. In solchen Gebieten für die Minderheitenrückkehrer noch größer, denn ohne diese Arbeitsplätze werden diese Leute, die in die Minderheitengebiete zurückkehren, wahrscheinlich auf die Dauer nicht dort bleiben.“

Dieser Tatsache sind sich Bosnien, Kroatien, Jugoslawien aber auch die EU be-wußt. Daher verlangt Brüssel auf dem Weg zur EU-Integration auch eine ver-stärkte regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit. Auch in dieser Hinsicht ist der Dreiergipfel ein Signal, wobei bereits einiges erreicht wurde. So hat Bosnien mit Jugoslawien und Kroatien Freihandelsabkommen geschlossen. Zwar sind die absoluten Zahlen noch recht niedrig, doch hat im vergangenen Jahr der Handel zwischen Kroatien und Serbien um 35 Prozent und der Handel zwischen Bosnien und Kroatien um 25 Prozent zugenommen. Auch die Verkehrsverbin-dungen werden zunehmend besser. So bestehen seit Juli wieder Flugverbin-dungen zwischen Belgrad und Sarajevo und Kroatien hat die Erteilung von Touristenvisa für jugoslawische Staatsbürger erleichtert. Die Wartezeit für ein Visum wurde von 30 auf zwei Tage verkürzt.

Wichtig ist der Dreier-Gipfel aus bosnischer Sicht noch aus einem anderen Grund. Am fünften Oktober finden in Bosnien Wahlen statt, wobei das Parlament zum ersten Mal für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt wird. Dazu sagt der österreichische Botschafter in Sarajevo Gerhard Jandl:

„Das was sicherlich für die Zukunft Bosniens entscheidend sein wird, ist die Frage, welche Message werden der jugoslawische Präsident Kostunica an die bosnischen Serben und der kroatische Präsident Mesic an die bosnischen Kroaten senden. Diese Frage wird sicherlich mitentscheidend sein für das Wahlverhalten. Als Vertreter der internationalen Staatengemeinde hier würde ich sagen: Wir wären natürlich sehr daran interessiert, wenn Kostunica ein klares Signal an die bosnischen Serben sendet: Wir haben als jugoslawische Serben für euch Sympathie, aber wir werden uns nicht einmischen. Das ist euer Staat, da müsst ihr eben auch selber schauen, in diesem Staatsverband eure Ziele zu verwirklichen. Und das gleiche gilt für Mesic und die bosnischen Kroaten.“

Denn nur wenn unter den Kroaten und den Serben in Bosnien trotz aller gefühls-mäßigen Bindungen an Zagreb und Belgrad die Erkenntnis Platz greift, daß ihre Hauptstadt Sarajevo heißt, wird der Staat Bosnien und Herzegowina auch eine Zukunft haben.

Zwar gibt es in Bosnien nach Angaben des UNHCR noch immer 430.000 Binnenvertriebene, doch ist die Rückkehr von Vertriebenen und Flüchtlingen in der Ära Petritsch wirklich in Gang gekommen. So kehrten seit 1999 nach Angaben des UNHCR allein 211.000 Personen in Gebiete zurück, in denen eine andere Volksgruppe die Mehrheit bildet. Insgesamt sind seit Kriegsende mehr als 800.000 Flüchtlinge zurückgekehrt.
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