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Bosnien hat gewählt

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Bei den Wahlen aller wichtigen Staatsorgane in Bosnien und Herzegowina haben die nationalistischen Parteien aller drei Volksgruppen am besten abgeschnitten. Das geht aus Ergebnissen hervor, die die staatliche Wahlkommission und Parteien veröffentlicht haben. Doch liegt noch immer kein endgültiges Ergebnis vor und auch die Umrechnung der Wahl-ergebnisse auf die Mandatsstärke der Parteien in den diversen Parlamenten Bosniens ist noch nicht erfolgt. Was sich aus den bisher vorliegenden Ergebnissen ablesen läßt, darüber informiert nun unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

In Bosnien und Herzegowina sind etwa 80 Prozent der Stimmen ausgezählt. Daher sind noch Kräfteverschiebungen bei den diversen Organen und Parlamenten möglich. Klar ist jedoch, daß die Vertreter der nationalistischen Parteien der Kroaten und der Serben in das drei Personen umfassende Staatspräsidium einziehen werden. Nur bei den Bosniaken ist noch nicht klar, ob ein Nationalist oder ein gemäßigterer Politiker gewonnen hat. Noch offen ist auch, ob die aus gemäßigten Parteien bestehende Mehrparteienregierung im Parlament des Gesamtstaates eine Mehrheit haben wird. Der größere Partner dieser Koalition, die Sozial-demokraten, sind der klare Wahlverlierer, während der kleinere Partner, die Partei für Bosnien und Herzegowina, Stimmen hinzu gewinnen konnte. Vom Abschneiden der kleineren Parteien dieses Bündnisses hängt es somit ab, ob diese Regierung fortgesetzt werden kann. Doch klare Ergebnisse liegen noch nicht vor; daß es jedenfalls äußerst knapp werden dürfte, zeigen die Wahlergebnisse für die Parlamente der beiden Teilstaaten. In der Föderation erreichten die nationalistischen Parteien der Bosniaken und Kroaten gemeinsam die absolute Mehrheit; in der serbischen Teilrepublik wurde die Partei des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Radovan Karadjic stimmenstärkste Kraft, doch ist eine Koalition gemäßigterer serbischer Parteien möglich. Ob dieses Wahlergebnis einen massiven Rückschlag für die EU-Annäherung, für die Reform des Staates und der Wirtschaft und somit für die weitere Stabilisierung des Landes bedeutet ist derzeit noch offen, wie auch der österreichische Botschafter in Sarajevo, Gerhard Jandl betont:

„Das kann so sein muss aber nicht zwangsläufig so sein, denn man darf nicht außer Acht lassen jetzt ist zum ersten Mal eine Legislativperiode von 4 Jahren, bis jetzt immer nur 2 Jahre und das ist eben schon eine sehr kurze Zeit, für jeden Reformschritt den man unternimmt. Man konnte realistischer Weise bei den jetzigen Regierungen nicht immer davon ausgehen dass entscheidende Reformen umgesetzt und für den Bürger spürbar werden, jetzt hat die Regierung - wie auch immer diese zusammengesetzt sein wird - 4 Jahre Zeit und kann sich damit auch ausrechnen, dass ein Reformprogramm greift und am Ende dieser Periode, bei den nächsten Wahlen der Bürger erfolgreiche Reformen honorieren wird.

Hinzu kommt, daß auch den Nationalisten zunehmend klar wird, daß es zu Reformen schon aus finanziellen Gründen keine Alternative gibt, denn die Finanzhilfe des Westens ist ein-deutig rückläufig. So bezeichnete auch der internationale Bosnien-Repräsentant die Wahlen als Zeichen des Protests und nicht als Rückkehr zur Vergangenheit. Ein klares Mißtrauens- votum für alle Parteien aber auch die internationale Gemeinschaft ist jedenfalls die Wahlbe-teiligung von etwa 54 Prozent. Sie ist die niedrigste seit dem Ende des Krieges vor knapp sieben Jahren. Ursache dafür dürften Wahlmüdigkeit, Politikverdrossenheit und das weit ver-breitete Gefühl der Perspektivenlosigkeit sein. Sicher ist, daß nur diese geringe Beteiligung das gute Abscheinden der nationalistischen Parteien erst ermöglicht hat. Bosnien und den internationalen Vertretern stehen voraussichtlich vier schwierige, für die Zukunft des Landes jedoch entscheidende Jahre bevor.
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