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Petritsch-Bilanz

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Berichte Bosnien
Ende Mai endet die Amtszeit des Österreichers Wolfgang Petritsch als Hoher Repräsentant in der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik Bosnien und Herzegownina. Obwohl sich Petritsch bemüht hat, das vom Krieg zerstörte Land zu stärken und die Reformen voranzutreiben, wird die Präsenz des Westens in Bosnien noch Jahre dauern müssen. Wirtschaftlich konnte noch immer kein einheitlicher Markt zwischen den beiden bosnischen Teilstaaten geschaffen werden und die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch. Auch die Privatisierung hat erst mit der Bildung der Reformregierung vor eineinhalb Jahren begonnen. Eine Bilanz der Ära Petritsch hören Sie nun von unserem Balkan-Korrespon-denten Christian Wehrschütz:

Aus Bosnien kamen jüngst für Unternehmer eine gute und eine schlechte Nach-richt zur gleichen Zeit. So teile VW mit, daß mit erstem Juli die Produktion des Golf in der bosnisch-kroatischen Föderation wieder aufgenommen wird. Gleich-zeitig gab das Oberste Gericht dieses Teilstaates bekannt, daß beim Gerichtshof 9.500 Verfahren anhängig sind, deren Erledigung mindestens fünf Jahre dauern wird. Rechtsunsicherheit und das problematische Justizwesen, Korruption und Bürokratie sowie politische Einflußnahme und der nach wie vor fehlende Bin-nenmarkt zählen noch immer zu jenen Faktoren, die abschreckend auf auslän-dische Investoren wirken. Zu den Versäumnissen des Westens zählt der Kärntner Wolfgang Petritsch daher auch, daß die Bedeutung der Wirtschaft zu spät erkannt worden sei:

“Man hat zuerst sozusagen Wiederaufbau gemacht und nicht damit verbunden, sogleich auch eine tiefgreifende Wirtschaftsreform. Das ist einer der Hautfehler die wir in Bosnien begannen haben.“

Mit diesem Problem mußte Petritsch bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren ebenso leben wie mit anderen Fehlern des Westens. Viele kriegsverantwortliche Politiker waren noch im Amt, die Flüchtlingsrückkehr verlief sehr langsam und der Gesamtstaat war schwach. Fortschritten auf diesen beiden Gebieten zählt Wolfgang Petritsch nun rückblickend auch zu den wichtigsten Erfolgen seiner Amtszeit:

„Die Flüchtlingsrückkehr wird sicherlich das Bleibende sein, und damit wird ja auch ein wesentlicher Teil des Dayton Vertrages erfüllt. Ich halte aber für ebenso wichtig, die Staatlichkeit, die immer stärker und stärker zu bemerken ist, die durch Institutionen zu erreichen ist, durch den Aufbau einer Regierung, als ich hier her gekommen bin hat es 3 Minister gegeben, jetzt haben wir seit einem Jahr eine halbwegs funktionierende Regierung mit 6 Ministerien, und damit ist eigentlich der Durchbruch erzielt worden. Auch mit Anderen Aspekten wie die Gründung eines staatlichen Grenzschutzes, der Stärkung der Staatlichenstruktur insgesamt, dass glaube ich das ist dass wichtigste.“

Spektakulär war die Zwangsübernahme der Hercegovacka Banka in Mostar; damit gelang es Petritsch, kroatische Abspaltungstendenzen zu brechen, denn über die Bank hätten eigenständige kroatische Institutionen in Bosnien finanziert werden sollen. Begünstigt wurde Petritschs Amtsführung ach durch Ereignisse in Kroatien und Jugoslawien. Denn mit dem Tod des kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman und dem Sturz von Slobodan Milosevic mußten jene Politiker abtreten, die Bosnien hatten teilen wollen. Durch Besuche bei Rückkehrern und Flüchtlingen im Begleitung von Diplomaten versuchte Petritsch bis zuletzt, die Staatenwelt zu weiterem Engagement in Bosnien zu bewegen. In sein Heimat-dorf im Kärntner Rosental, wird Petritsch nach dem Ende seines Mandates nur kurz zurückkehren können, denn er wird Österreich nun als Botschafter in Genf vertreten.
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