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Ashdown in Bosnien

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Vor zwei Tagen hat der Brite Lord Paddy Ashdown vom Österreicher Wolfgang Petritsch das Amt des Hohen Repräsentanten in Bosnien übernommen. Der 61 jährige Ashdown wurde in Neu Delhi geboren und begann seine Karriere in Spezialeinheiten der britischen Streitkräfte, ehe er 1972 ins Außenministerium und um 1979 in die Politik wechselte. Ashdown befaßt sich schon seit mehreren Jahren mit der Lage am Balkan und war schon früh ein klarer Befür-worter einer entschlossenen Haltung des Westens während des Krieges in Bosnien. Nun ist er für zumindestens zwei Jahre Hoher Repräsentant in Bosnien und damit die letzte Instanz in dieser früheren jugoslawischen Teilrepublik. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat in Mostar mit Paddy Ashdown über dessen Ziele in Bosnien gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Gerechtigkeit, Arbeitsplätze, Reformen, das sind die drei Prioritäten, die sich Paddy Ashdown für Bosnien gesetzt hat. Asdown will Korruption und Kriminalität noch stärker bekämpfen und die begonnene Justizreform vollendet. Die Bedeutung dieser Reform für Bosnien erläutert Ashdown so:

2) „Deutschland hat pro Kopf die größte Anzahl an Richtern in Europa. Bosnien hat pro Kopf die doppelt so hohe Anzahl an Richtern wie Deutschland. Doch jeder bosnische Richter, macht nur ein Viertel der Arbeit eines deutschen Richters. Daher müssen wir das tun; und in dem wir nun die Justizreform durchführen, erfüllen wir einen wesentlichen Teil des Prozesses auf dem Weg zur Herrschaft des Rechts in diesem Land.“

Als hoher Repräsentant in Bosnien strebt Ashdown auch eine umfassende Entbürokratisierung an. Das vier Millionen Einwohner zählende Land hat 760 Abgeordnete, 180 Minister und 13 Politiker, die den Titel eines Ministerpräsidenten führen. Ashdowns Ziel ist ein schlanker Staat mit mehr Kompetenzen für Gemeinden. Darin sieht der Brite auch einen wichtigen Schritt, um das Land für ausländische Investitionen attraktiver zu machen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und den hohen Schuldenberg abzutragen. Paddy Ashdown:

1) „In einem Land, das bitter arm ist, in dem die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist bezahlt jeder arbeitsfähige Bosnier den Gegenwert von drei Monatsgehältern nur für seine Politiker. Bosnien ist mit hohen Schulden und sinkender internationaler Hilfe konfrontiert und muß diese Frage lösen. Es gibt keine Alternative, der Status quo ist kein Weg vorwärts.“

Ashdown ist optimistisch, daß er auch die Politiker in Bosnien für diese Reformen gewinnen kann; schließlich gelinge es nun auch die Verteidigungsausgaben zu senken und die Zahl der Streitkräfte der beiden Teilrepubliken zu reduzieren. Zu weiteren Reformen sieht Ashdown keine Alternative und sagt:

4) „Wolfgang Petritsch hat uns ein starkes Fundament hinterlassen, auf dem wir aufbauen können. Es ist wichtig, das wir zur nächsten Stufe schreiten, die darauf aufbaut. Wird das schwer sein, es wird sehr schwer sein, es wird sehr hart sein, ja es wird mehr Zeit brauchen, doch kann es getan werden, ich glaube es ist möglich.“

Die weitverbreitete Kritik an der Rolle der Internationalen Gemeinschaft, die in Bosnien auch viel Geld verschwendet und die Bedeutung der Wirtschaft unterschätzt habe, läßt Ashdown nicht gelten:

3) „Ich denke, die Leute unterschätzen wie schwer es ist, nach einem derart schrecklichen Krieg Frieden herzustellen. Können Sie sich vorstellen, daß all jene, die durch Vergewal-tigung und Folter vertrieben wurden, daß eine Viertel Millionen von ihnen nun wieder in ihren Gemeinden lebt. Ich war ein Soldat in Nordirland vor 30 Jahren, als ich sah, wie Häuser der Katholiken abgebrannt wurden; keiner von ihnen kehrte je zurück. Natürlich ist viel zu tun, aber lassen sie uns nicht, wie das manche tun, behaupten, das von dem Geld etwas verschwendet wurde, das die internationale Gemeinschaft hier ausgegeben hat, denn das geschah nicht. Das Geld hat viel erreicht.“

Mit der Parlamentswahl am fünften Oktober steht Bosnien eine umfassende Bewährungs-probe bevor. Zum ersten Mal wird das Parlament für vier Jahre gewählt und die Reformkoalition muß beweisen, daß sie sich gegenüber den nationalistischen Parteien behaupten kann. Zur Bedeutung der Wahl sagt Paddy Ashdown:

5) „Wenn die Bosnier nun weiter für die Moderaten und Nicht-Nationalisten stimmen, dann haben wird die Bedingungen, dieses Land irreversibel in Richtung Europäische Union zu führen. Und die Unterstützung europäischer Länder wie Österreich, wie durch die gute Arbeit von Wolfgang Petritsch gibt uns eine wirkliche Chance. Es liegt nun bei der internationalen Gemeinschaft die nötige Geduld dafür zu haben, doch es liegt beim bosnischen Volk, sicher zustellen, daß sie ihr eigenes Schicksal gestalten, in dem sie eine Regierung wählen, die sich von der Vergangenheit entfernt und in eine neue Zukunft bewegt.“
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