× Logo Mobil

Mladic und die Spaltung in Bosnien

Fernsehen
ZiB2
Berichte Bosnien
In Den Haag hat heute wohl einer der wichtigsten Kriegsverbrecherprozesse seit dem Zweiten Weltkrieg begonnen. Vor dem Tribunal hat sich der ehemalige Kommandant der bosnischen Serben, General Ratko Mladic, zu verantworten. Die Anklage wirft ihm die planmäßige Ermordung und Vertreibung von Bosniaken und Kroaten zwischen 1992 und 1995 vor. Angeklagt ist Mladic konkret wegen Vertreibung, Mord, Geiselnahme und zwei Mal wegen des Verbrechen des Völkermordes. Der bekannteste Fall ist das Massaker an mehr als 7.000 Bosniaken in der Stadt Srebrenica im Sommer 1995. Die Anklage gegen Mladic ist mehrfach gestrafft worden, weil der Gesundheitszustand des 70-jährigen nicht besonders gut ist. In Bosnien und Herzegowina selbst spalten der Krieg und Ratko Mladic als Person nach wie vor Bosniaken und Serben – für die eine Volksgruppe ein Verbrecher ist er für die andere ein Held.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien und Herzegowina

Insert1: Pantelija Curguz, Bosnisch-Serbischer Veteranenverband

Insert2: Tanja Topic, Friedrich-Ebert-Stiftung in Banja Luka

Aufsager: Christian Wehrschütz aus Banja Luka

Gesamtlänge: 2‘40

Der erste Prozesstag gegen Ratko Mladic war auch in seinem Heimatland ein Medienereignis. Die Ausführungen des Anklägers konnten nicht nur die Bosniaken verfolgen, auch das Fernsehen des serbischen Teilstaates übertrug direkt. Zugeschaut wurde auch in Mladics Heimatgemeinde Kalinovik. Die Anklage wegen Völkermordes stößt hier auf Ablehnung:

„Ratko Mladic ist ein Held. Er ist kein Kriegsverbrecher, er hat am Kampf zur Verteidigung des serbischen Volkes teilgenommen.“

In Sarajewo, in der die muslimischen Bosniaken dominieren, herrscht eine völlig entgegengesetzte Haltung zu Ratko Mladic:

„Er braucht keinen Prozess, er sollte sofort öffentlich exekutiert werden, das hat er verdient.“

Diese Spaltung untermauern Umfragen etwa zum Massaker in Srebrenica im Sommer 1995. Fast alle Bosniaken haben davon gehört und bewerten es als Kriegsverbrechen. Bei den Serben haben nur 59 Prozent davon gehört und nur jeder Fünfte sieht Srebrenica als Kriegsverbrechen und nicht als Folge des Krieges. So wie hier in Banja Luka bei einer Ehrung für gefallene Soldaten des serbischen Teilstaates gedenken auch Kroaten und Bosniaken nur der eigenen Opfer. Für Srebrenica geben die Serben den Bosniaken eine Mitschuld:

„Dort wurden mehr als 3.000 serbische Zivilisten ermordet. Und dann haben sich 1995 Angehörige der bewaffneten Formationen selbst das Recht genommen, all das heimzuzahlen. So ist 1995 eine Art von Revanche und Rache.“

Diese Ansicht wird wiederum von den Bosniaken massiv abgelehnt, wobei auch die Zahl der serbischen Opfer bestritten wird, für die in Bratunac eine Gedenkstätte besteht. Somit sieht jedes der drei Völker nach wie vor nur sich als Opfer

„Es gibt es nur die Verbrechen der anderen. Wenn unsere Verbrechen beschämt zugegeben werden, dann finden sich auch banale und schreckliche Begründungen. Dann werden sie etwa gerechtfertigt mit Verbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg; deswegen haben wir Verbrechen begangen, um zu verhindern dass sich diese Verbrechen an uns wiederholen.“

Dass der Prozess gegen Ratko Mladic die Geschichtsbilder ändern wird, bleibt zu hoffen, ist aber fraglich.

Facebook Facebook