Mladic und die Spaltung in Bosnien
Fernsehen
ZiB2
Berichte Bosnien
Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Bosnien und Herzegowina
Insert1: Pantelija Curguz, Bosnisch-Serbischer Veteranenverband
Insert2: Tanja Topic, Friedrich-Ebert-Stiftung in Banja Luka
Aufsager: Christian Wehrschütz aus Banja Luka
Gesamtlänge: 2‘40
Der erste Prozesstag gegen Ratko Mladic war auch in seinem Heimatland ein Medienereignis. Die Ausführungen des Anklägers konnten nicht nur die Bosniaken verfolgen, auch das Fernsehen des serbischen Teilstaates übertrug direkt. Zugeschaut wurde auch in Mladics Heimatgemeinde Kalinovik. Die Anklage wegen Völkermordes stößt hier auf Ablehnung:
„Ratko Mladic ist ein Held. Er ist kein Kriegsverbrecher, er hat am Kampf zur Verteidigung des serbischen Volkes teilgenommen.“
In Sarajewo, in der die muslimischen Bosniaken dominieren, herrscht eine völlig entgegengesetzte Haltung zu Ratko Mladic:
„Er braucht keinen Prozess, er sollte sofort öffentlich exekutiert werden, das hat er verdient.“
Diese Spaltung untermauern Umfragen etwa zum Massaker in Srebrenica im Sommer 1995. Fast alle Bosniaken haben davon gehört und bewerten es als Kriegsverbrechen. Bei den Serben haben nur 59 Prozent davon gehört und nur jeder Fünfte sieht Srebrenica als Kriegsverbrechen und nicht als Folge des Krieges. So wie hier in Banja Luka bei einer Ehrung für gefallene Soldaten des serbischen Teilstaates gedenken auch Kroaten und Bosniaken nur der eigenen Opfer. Für Srebrenica geben die Serben den Bosniaken eine Mitschuld:
„Dort wurden mehr als 3.000 serbische Zivilisten ermordet. Und dann haben sich 1995 Angehörige der bewaffneten Formationen selbst das Recht genommen, all das heimzuzahlen. So ist 1995 eine Art von Revanche und Rache.“
Diese Ansicht wird wiederum von den Bosniaken massiv abgelehnt, wobei auch die Zahl der serbischen Opfer bestritten wird, für die in Bratunac eine Gedenkstätte besteht. Somit sieht jedes der drei Völker nach wie vor nur sich als Opfer
„Es gibt es nur die Verbrechen der anderen. Wenn unsere Verbrechen beschämt zugegeben werden, dann finden sich auch banale und schreckliche Begründungen. Dann werden sie etwa gerechtfertigt mit Verbrechen aus dem Zweiten Weltkrieg; deswegen haben wir Verbrechen begangen, um zu verhindern dass sich diese Verbrechen an uns wiederholen.“
Dass der Prozess gegen Ratko Mladic die Geschichtsbilder ändern wird, bleibt zu hoffen, ist aber fraglich.