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Interview mit Miroslav Lajcak über Bosnien nach Radovan Karadzic

Fernsehen
ZiB2
Berichte Bosnien
Die Verhaftung des mutmaßlichen bosnisch-serbischen Kriegsverbrechers Radovan Karadzic hat ein Land kurzfristig wieder zurück auf die internationale mediale Landkarte gebracht, um das es sonst bereits recht still geworden ist – gemeint ist Bosnien und Herzegowina. In der ehemaligen jugoslawischen Teilrepublik verlaufen viele Reformen sehr langsam. Grund für das unbefriedigende Tempo ist das komplizierte vier Millionen Einwohner Staatswesen, in dem Bosnjaken, Kroaten und Serben in zwei Teilstaaten mit einem schwachen Zentralstaat leben. Hinzu kommt, dass diese drei Völker auch 12 Jahre nach dem Krieg noch kein gemeinsames Staatsbewusstsein entwickelt haben, und die lokalen Politiker gerne die nationale Karte spielen. Der Hohe Repräsentant der EU, der Slowake Miroslav Lajcak befürchtet daher, dass der bevorstehende Prozess gegen Radovan Karadzic die Gegensätze zwischen Bosnjaken, Serben und Kroaten weiter vertiefen könnte.

Beirchtsinsert: Christian Wehrschütz aus Sarajevo

Inserts: Miroslav Lajcak, Hoher Repräsentant der EU in Bosnien

Gesamtlänge: 2‘17

In Bosnien ist die Erregung über Radovan Karadzic der Sommerhitze gewichen. Heiß wird es den Bosniern aber auch wegen der Teuerungsrate von etwa 10 Prozent; sie ist fast doppelt so hoch wie im Vorjahr. Bei einem Durchschnittslohn von 365 Euro spürt man die Preise. Am Markt kosten ein Kilo Tomaten 75 Cent und ein Kilo Paprika einen Euro. Etwa gleichviel kosten im Supermarkt Milch und Brot. Obwohl die Alltagssorgen dominieren, sind nationalistische Gefühle immer entflammbar; damit gespielt haben die Politiker auch im Fall Karadzic:

„Es kam zu Verbalattacken zwischen bosnjakischen und serbischen Führern, der Friedensvertrag von Dayton und der Staat wurden angegriffen; alles in allem war das eine versäumte Gelegenheit zur Aussöhnung, die so wichtig ist, damit das Land Fortschritte machen kann."

Auch die Stadt Mostar zeigte, wie geteilt das Land ist, und zwar beim Fußball-EM-Spiel Kroatien – Türkei. Die bosnischen Kroaten hielten für Kroatien, die Bosnjaken für die Türkei. Nach der Niederlage Kroatiens musste die Polizei mit einem Großaufgebot einschreiten, um Anhänger zu trennen. Diese Ausschreitungen folgen einem Muster:

" Die Mehrheitsbevölkerung ignoriert die Minderheit, darüber beklagt sich die Minderheit; doch wo es etwa Fifty - Fifty steht, trennen sie sich, weil sie nicht zusammen sein wollen. Diesem Muster folgen alle Parteien und alle drei Völker, und das ist sehr gefährlich für die Zukunft dieses Landes."

Sie sehen immerhin mehr als 80 Prozent der Bosnier in der EU. Und ein wichtiger Vertrag über die Annäherung wurde jüngst zwischen Sarajewo und Brüssel unterzeichnet,

„Jetzt müssen alle Politiker nicht nur mit Worten sondern auch mit Taten jene 30 Aufgaben aus dem Vertrag umsetzen. Dabei ist bisher nicht viel geschehen, während in den Zeitungen bereits spekuliert wird, ob Bosnien nicht bereits den EU-Beitrittsantrag stellen soll. Das völlig unseriös. Das ist ein sehr schlechtes Verständnis der EU-Integration, denn allen muss klar sein, dass man viel arbeiten muss, wenn man erfolgreich sein will."

Bis zu dieser Erkenntnis und bis zur EU ist der Weg in Bosnien noch weit.

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