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Reformstau in Bosnien Interview mit EU-Beauftragtem Lajcak

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ZiB 24
Berichte Bosnien
Neben dem ungelösten Status des Kosovo entwickelt sich auch Bosnien-Herzegowina immer mehr zum Sorgenkind der EU am Balkan. Denn seit dem vorläufigen Abschluss der Gespräche über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen Ende des Vorjahres herrscht Stillstand. So bescheinigt die EU den Politikern in Bosnien denn auch fehlendes Verantwortungsbewusstsein und mangelnden Reformwillen. Das betrifft auch die Reform des komplizierten Staates, der aus zwei Teilstaaten, der bosnjakisch-kroatischen Föderation und der Serben-Republik besteht. Denn auf etwa vier Millionen Einwohner kommen mehr als 200 Minister. Schwach ausgeprägt ist auch das Staatsbewusstsein. Nur knapp die Hälfte aller Serben und nur etwa ein Viertel der Bosnjaken und Kroaten unterstützen diese Staatsstruktur, die die internationale Gemeinschaft mit dem Friedensvertrag von Dayton geschaffen hat. Einen Ausweg aus dieser verfahrenen Lage soll nun der Slowake Miroslav Lajcak bringen, der seit Juli Hoher Beauftragter der EU in Bosnien ist. Der 44-jährige Lajcak spricht fließend serbisch und gilt als guter Kenner des Balkan. Er ist der sechste westliche Diplomat, der dieses Amt seit dem Ende des Bosnienkrieges im Jahre 1995 ausübt.

Berichtsinsert: Christian Wehrschütz aus Sarajevo

Insert: Miroslav Lajcak EU-Beauftragter für Bosnien

Gesamtlänge: 2’14

Die Polizei in Bosnien zeigt gerne ihre Schlagkraft. Doch organisatorisch bestehen noch immer serbische und bosnjakische Polizeibehörden. Eine gesamtstaaliche Kommandostruktur scheiterte bisher an nationalen Gegensetzen. Daher liegt die EU-Annäherung seit Monaten auf Eis:

„Dieses Problem muss im September gelöst werden, damit wir das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen paraphieren können. Dann wird Bosnien fest auf dem Weg Richtung EU sein. Hinzu kommt natürlich die Aufarbeitung der Kriegsvergangenheit; alle Verbrecher müssen der Gerechtigkeit zugeführt werden. “

Die Suche nach dem mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadjic bleibt somit aktuell. Um seine Helfer zu schwächen hat Lajcak mehr als 30 serbische Polizisten ihres Amtes enthoben. Karadjc soll für das Massaker an 8.000 Bosnjaken in Srebrenica verantwortlich sein. Doch auch an Serben wurden Verbrechen verübt. Die Kriegsvergangenheit trennt noch immer. Daran ist eine Reform des komplizierten Staates bisher gescheitert, die Lajcak vorantreiben will:

„Es gibt wohl niemanden, der sagen kann, dass dieses Land 14 Regierungen, einige Präsidenten und stellvertretende Präsidenten braucht. Es ist klar, dass der Staat zu seiner Erhaltung zu viel Geld ausgibt, statt dieses Geld für Bildung und Gesundheit auszugeben.“

Doch Geld ist knapp; für ausländische Investoren ist Bosnien nicht sehr attraktiv. Fast jeder Dritte ist arbeitslos, und das Leben wird immer teurer. Teurer werden könnten nun auch Lebensmittel, nicht zuletzt wegen der grassierenden Trockenheit im Land. Unter der Jugend steigt die Frustration, eine Stimmung, die islamische Fundamentalisten ausnutzen wollen:

„Das Problem ist unter Kontrolle. Bosnien-Herzegowina hat seinen traditionellen, gemäßigten Islam und ein Fundamentalismus ist nicht Teil der Kultur dieses Volkes. Es gibt natürlich Gruppen, die diesen Fundamentalismus ins Land tragen wollen, doch diese haben weder in der Bevölkerung noch bei den Politikern einen Rückhalt.“

Dieser Rückhalt fehlt den Politikern auch in der eigenen Bevölkerung. Nach Umfragen würden zwei Drittel der jungen Bosnier auswandern, wenn sie es könnte.

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