20241015 FJ7 Albanien und EU beginnen konkrete Beitrittsgespräche Wehrsc
Kein Land des Westbalkan wies wohl eine derart korrupte Justiz auf wie Albanien; und kein Land des Westbalkan unterzog seine Justiz auf westlichen Druck hin einer derartigen Rosskur wie Albanien. So mussten alle 800 Richter und Staatsanwälte auf Korruption und Reichtum durchleuchtet werden, um überhaupt die Basis für Gespräche mit der EU zu schaffen. Der Prozess dauerte Jahre, legte die Gerichte lange Zeit lahm, steht aber nun vor dem Abschluss. Ihn beschreibt in Tirana der stellvertretende Justizminister Tedi Dobi so:
3'09'7 - Folgen des Vettings - 4'03'7
"Die Wirkungen waren enorm; mehr als die Hälfte aller Personen fielen durch oder traten gar nicht an und schieden aus der Justiz aus. Für diese Personen, die sich nicht durchleuchten ließen, sieht das Gesetzt vor, dass sie die Funktion eines Richters oder Staatsanwalts für 15 Jahre nicht ausüben und im Justizsystem generell nicht arbeiten dürfen. Somit war das zwar ein sehr komplizierter Prozess, doch er befasste sich wirklich mit den großen Problemen, die die albanische Justiz hatte."
Der 33-jährige Tedi Dobi ist in Albanien auch für das Kapitel 23, Justiz und Grundrechte, zuständig. Dabei geht es unter anderem darum, die Justiz effizienter zu machen, einen elektronischen Aktenlauf zu schaffen und die Richter von bürokratischen Aufgaben zu entlasten, damit der massive Rückstau an Fällen reduziert werden kann. Doch es geht auch um die Anpassung der Gesetzgebung an EU-Standards. Dazu bringt Tedi Dobi folgendes Beispiel:
14'36'0 - Reformen STGB und ABGB und Belgien -15'26'8
"Derzeit konzentrieren wir uns auf die Reform der großen Gesetzbücher; dazu zählen das Strafgesetzbuch, das derzeit überarbeitet wird; doch rasch wollen wir auch mit dem Zivilgesetzbuch beginnen. Wir führen dazu eine tiefgreifende Analyse des Istzustandes aber auch der EU-Standards durch; dazu zählt, dass wir uns auch die guten Beispiele in der EU anschauen. So führt Belgien gerade eine Reform des Strafgesetzbuches durch, und wir versuchen, von diesem Beispiel zu lernen - was ist gut, was nicht. Wir sind bestrebt überall so vorzugehen, um effizient zu sein aber auch über den Augenblick des Beitritts hinauszugehen."
Mehr als 60 Themen hat Albanien allein im Bereich der Justiz abzuarbeiten, um die Anpassung an die EU zu erfüllen. Hinzu kommt, dass es nicht nur um Gesetze, sondern auch um deren nachhaltige Umsetzung und einen massiven Kampf gegen die große Korruption geht, den Albanien noch lange nicht gewonnen hat.