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Albanien vor der Wahl

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Berichte Albanien

20210424 MiJ Albanien vor der Wahl Wehrschütz Mod 3’41

In Albanien wird morgen das Parlament gewählt. Stimmberechtigt sind formell 3,5 Millionen Albaner, doch gut eine Million dürfte gar nicht im Land sein, und kann daher gar nicht abstimmen, weil es keine Briefwahl gibt. Das Parlament in Tirana zählt 140 Abgeordnete; vor vier Jahren gewannen die Sozialisten unter Edi Rama die absolute Mehrheit, der nun um eine dritte Amtszeit kämpft. Sein Herausforderer ist Lulzim Basha von der konservativen DP, der Demokratischen Partei; sie hat mit weiteren12 Kleinparteien ein Wahlbündnis gebildet. Umfragen sagen ein knappes Rennen voraus, doch ihre Aussagekraft ist fraglich. Der Wahlkampf glich einer Schmutzkübelkampagne, war sehr aggressiv und forderte bei einer Schießerei auch ein Todesopfer; aus der albanischen Hauptstadt Tirana berichtet unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz:

Anfang April streikten in Tirana zwei Tage lang die Fluglotsen. Sie protestierten gegen die Halbierung ihrer Löhne, die bereits einige Monate zurückliegt. Diese Löhne sind mit 2000 Euro im Monat und bei Corona-bedingt massiv gesunkenem Flugaufkommen für albanische Verhältnisse noch immer sehr hoch. Die Regierung von Edi Rama sah den Streik als politisch motiviert an, brach ihn und verhaftete drei Rädelsführer. Edi Ramas Sozialisten spielten darauf einen Wahlkampfspot, der der Opposition vorwarf, den Import von Corona-Impfstoff blockieren zu wollen. Der Text des Spots lautete so:

EDI Rama (erster SPOT) Lesen

„ Sie spielen mit dem Leben der Menschen. Aber sie haben schändlich versagt! Lasst sie Albanien nicht erneut als Geiseln nehmen! Lulzim Basha ist nur ihre Marionette! Sie verdienen keine Chancen mehr!“

„Lasst Sie am 25. April nicht zurückkehren!“ – endete der Spot mit roter Schrift und rotem Stempel. Im Hintergrund sind die Bilder des früheren Regierungschefs Sali Berisha, seines Nachfolgers an der Spitze der Demokratischen Partei, Lulzim Basha und von Staatspräsident Ilyr Meta zu sehen. Meta ist ganz aktiv im Wahlkampf; seine Partei LSI will mit den Demokraten Edi Rama als Regierungschef ablösen. Rama wiederum präsentierte sich als Retter der Bevölkerung und als Garant der Modernisierung Albaniens. Dank Hilfe aus der Türkei, mit dessen Präsidenten Rama enge Beziehungen hat, kam viel chinesischer Impfstoff nach Albanien; außerdem wurde wenige Tage vor der Wahl ein modernes, von der Türkei finanziertes Krankenhaus eingeweiht.

…..

Der Wahlkampf ist ganz auf die beiden Spitzenkandidaten zugeschnitten, wobei Rama wie ein Prophet im Kreise seiner Jünger auftritt, die alle Masken tragen und Abstand halten.

Auch Lulzim Basha trägt eine Maske, nimmt aber stärker ein Bad in der Menge. Er verweist auf die schwierige Wirtschaftslage, auf die massive Auswanderung junger Albaner und verspricht sowohl höhere Löhne als auch niedrigere Steuern. Basha ist kein politischer Strahlemann, doch viele Albaner haben nach acht Jahren den selbstherrlichen Stil von Edi Rama satt. Dieser hat aber einen klaren medialen Vorteil. Die Mediensituation beschreibt der Chefredakteur des unabhängigen Balkan-Journalistennetzwerks BIRN, Besar Likmeta so:

0'29 - Birn zu Journalismus - 1'06 Lesen

"Es ist schlimmer als je zu vor. Fast alle Medien werden von Ministerpräsident Edi Rama, seinem Büro und seinen Lakaien kontrolliert. Es gibt nur sehr wenige unabhängige Medien und nur wenige professionelle Journalisten sind geblieben. Daran sind diese Medien nicht interessiert, die gefüttert werden von PR-Büros, deren Material auf Sendung gehen. Das ist billig, das ist was die Eigentümer der Medien wollen."

Modernisiert wurde jedenfalls das Wahlrecht; die Identität der Stimmbürger wird im Wahllokal elektronisch festgestellt, um doppelte Stimmabgabe zu verhindern. Außerdem gibt es in Tirana ein Pilotprojekt in einigen Wahllokalen in denen die Stimme online abgegeben werden kann. Ob Rama bleibt oder Basha kommt, ist offen. Sicher ist, dass ein klares Ergebnis nicht vor Dienstag vorliegen wird, weil nicht in den Wahllokalen, sondern in Stimmzentren ausgezählt wird, und das dauert in Albanien stets seine Zeit.

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