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Albanien zwischen politischer Krise und Justizreform

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Berichte Albanien

In Albanien herrscht seit drei Monaten eine tiefe politische Krise zwischen der Regierung des sozialistischen Ministerpräsidenten Edi Rama und der konservativen Opposition, der Demokratischen Partei von Lulzim Basha. Demonstrationen und Straßenproteste der Opposition führten zu Ausschreitungen in der Hauptstadt Tirana; die Demokratische Partei boykottiert nicht nur das Parlament, sondern ihre Abgeordneten haben auch ihre Mandate im Parlament zurückgelegt. Die EU hat Opposition und Regierung aufgefordert, ihre Konflikte zu überwinden. In Frage gestellt sind durch den Machtkampf nicht nur die reguläre Durchführung der Lokalwahlen im Juni, sondern auch die Chance Albaniens auf den Beginn von Beitrittsverhandlungen. Darüber will die EU ebenfalls im Juni entscheiden. Über die Krise berichtet Christian Wehrschütz:

Ausgangspunkt für die Proteste der Opposition ist die massive Unzufriedenheit vieler Albaner mit der politischen und sozialen Lage im Land. Dem sozialistischen Ministerpräsidenten Edi Rama werden Arroganz der Macht und seiner Regierung Korruption vorgeworfen. Gegen die Regierung protestierten im Dezember zunächst Studenten und einfache Bürger. Als die Demokratische Partei auf diesen Zug aufzuspringen versuchte, zogen sich viele Albaner von den Demonstrationen zurück, weil sie auch in der Opposition keine glaubwürdige Alternative sehen. Schließlich zwang die Parteiführung alle ihre Abgeordneten, ihre Mandate im Parlament zurückzulegen, doch nicht alle Abgeordneten folgten dieser Forderung. Die Chancen der Opposition, über die Straße politische Änderungen zu erzwingen, bewertet der Politologe Afrim Krasniqi in Tirana als gering; die Abkehr vom Parlament als Ort der politischen Auseinandersetzung bewertet er negativ; Afrim Krasniqi:

"Die Opposition ist nicht mehr Teil des Systems, und das ist sehr gefährlich für unsere Demokratie. Was kommt danach? Sie protestieren und hoffen, dass sie die meisten Albaner unterstützen, weil die meisten mit der Lage unzufrieden sind. Die Opposition will diese Unzufriedenheit nutzen, um mehr Unterstützung zu bekommen, doch das ist nur theoretisch. Parktisch kann die Opposition das System und die Lokalwahlen blockieren."

Ob es zur Blockade der Lokalwahlen kommt ist noch offen. Umstritten ist unter anderem wieder einmal das Wahlrecht. Andererseits hat Albanien durchaus Erfolge vorzuweisen. Dazu zählt die Justizreform. Richter und Staatsanwälte mussten vor Kommissionen ihre Einkommensverhältnisse offen legen oder gehen. Das führte zu einem massiven Kahlschlag unter den Richtern; Höchstgerichte sind seit Monaten handlungsunfähig, weil die Posten erst jetzt nachbesetzt werden und Bewerber überprüft werden. Die Justizreform sieht Afrim Krasniqi grundsätzlich positiv, doch gäbe es auch negative Folgen für die Bürger:

"Es war eine Reform von außen, nicht von innen. Diese Reform haben mehr die Amerikaner und die Europäer gemacht als die Albaner selbst. Die meisten albanischen Politiker waren und sind gegen die Justizreform, weil sie Angst haben. Es gibt eine neue Struktur gegen Politiker und korrupte Personen, und die meisten Politiker wollen nicht, dass diese Struktur an die Macht kommt. Aber was kommt mit der Justizreform? Die meisten Albaner haben das unterstützt, weil sie wollen mehr Gerechtigkeit; doch in diesen zwei Jahren besteht für die Menschen eine sehr schwierige Lage. Beim OGH sind mehr als 30.000 Fälle anhängig, sie warten darauf, dass neue Richter gewählt werden."

Andererseits sollen sich nun zum ersten Mal ein ehemaliger Innenminister und drei frühere hochrangige Polizisten vor Gericht verantworten. Ihnen wird vorgeworfen den Anbau von Cannabis und den massenhaften Schmuggel von Drogen nach Italien gedeckt haben. Der ehemalige Innenminister bestreitet die Vorwürfe; das Verfahren könnte aber auf jeden Fall eine gewisse abschreckende Wirkung in Albanien haben und sich auch positiv auf das Image des Landes auswirken.

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