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20 Jahre Wiedergeburt der Katholischen Kirche

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Berichte Albanien
In Albanien feiert die Katholische Kirche heuer den 20. Jahrestag ihrer Wiedergeburt. Den Startschuss dazu gab der Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahre 1993. Das gab dem Wiederaufbau der Kirche enorme Impulse, die in der Zeit der kommunistischen Diktatur von Enver Hoxha ebenso mit allen Mitteln unterdrückt wurde, wie Islam und Orthodoxie. Die Folgen dieser Unterdrückung hat die Katholische Kirche nicht zuletzt durch massive Hilfe aus dem Ausland in großem Ausmaß überwunden, obwohl die Rückgabe von Kircheneigentum noch immer ein großes Problem darstellt. Ein weiteres bildet die zunehmend spürbare Wirtschaftskrise, die auch die Kirche trifft. Sie hofft, dass auch im heurigen Jubiläumsjahr Papst Benedikt XVI Albanien besuchen wird. In Albanien hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit führenden Vertretern der Kirche gesprochen und den folgenden Beitrag über ihre Wiedergeburt gestaltet:

Das Territorium des heutigen Albanien blickt auf eine christliche Tradition zurück, die bis in die römische Zeit des Frühchristentums zurückreicht. Abgesehen von der Kirchenspaltung im Jahre 1054 erlebte die Katholische Kirche zwei historische Katastrophen. Die eine folgte auf die Niederlage des Nationalhelden Skanderbeg gegen die Osmanen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Viele seiner Anhänger wurden ermordet oder flohen nach Süditalien. Die Katholiken, die blieben, wurden in die Bergregionen im Norden zurückgedrängt, wo bis heute die Mehrheit der Katholiken lebt. Die zweite Katastrophe bildete die Machtübernahme der Kommunisten nach dem Zweiten Weltkrieg; 38 Priester wurden ermordet. 1967 erklärte Diktator Enver Hoxha Albanien zum ersten atheistischen Staat der Welt. Die Folgen für die Kirche erläutert der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Angelo Massafra:

"1967 kam es dann zum Verbot der Religion, alle Kirchen wurden geschlossen, auch alle Moscheen und alle anderen religiösen Einrichtungen. Viele Kirchen wurden zerstört, einige religiösen Gebäude wurden profanieret. So wurde die Kathedrale von Shkodra in einen Sportpalast umgewandelt. Gott wurde abgeschafft, und das einzige göttliche Wesen war Enver Hoxha. Für uns Christen ist Sonntag der Tag des Herrn, doch Hoxha verwandelte diesen Tag in den Tag von Enver und an diesem Tag mussten die ohnehin armen Albaner zu seinen Ehren arbeiten.

Enver Hoxha selbst stammte aus Südalbanien. Fünf Jahre nach seinem Tod kam es 1990 wohl nicht zufällig gerade in der nordalbanischen Stadt Shkodra zu den ersten antikommunistischen Demonstrationen. Das Regime stürzte und die Religionsfreiheit kehrte zurück. Zu den Folgen der Diktatur sagt der Erzbischof von Tirana, Rrok Mirdita:

"Die Katholische Kirche wurde in der kommunistischen Zeit praktisch eliminiert. Ich habe oft betont, dass wir hier von Null aus anfangen mussten. 1991 existierte hier überhaupt keine Struktur, weder eine physische noch eine spirituelle. Der Anfang war sehr mühsam. Durch seinen historischen Besuch in Shkodra hat Papst Johannes Paul II. das religiöse Leben neu angeregt, denn der Papst wurde damals mit großer Begeisterung empfangen; bei der Missionierung und beim Aufbau hat uns auch die katholische Kirche aus Italien geholfen, und zwar auch finanziell, und so wurde eine Kirche wieder heimisch, die davor nicht mehr existiert hatte."

Beim Wiederaufbau leisteten auch der Vatikan sowie Kirchen aus Europa und Amerika beträchtliche finanzielle und personelle Hilfe. Viele Priester kamen als Missionare aus dem Ausland, die zum Teil überhaupt erst Albanisch lernen mussten. Das gilt zwar nicht für Rrok Miredita und Angelo Massafra, trotzdem sind beide gute Beispiele für den Wiederaufbau. Rrok Miredita ist ein Albaner, der 1939 im heutigen Montenegro geboren wurde; seine Familie emigrierte nach New York, wo er 20 Jahre als Priester wirkte. Angelo Massafra stammt aus Süditalien aus einer Arbëresh-Familie; so werden Albaner genannt, die nach Skanderbegs Tod nach Italien flohen. Beide wurden 1993 zum Bischof geweiht. Die heutige Lage schildert Massafra, der auch Metropolit von Shkodra ist, so:

"In Shkodra haben wir 50 Priester, zwei davon sind Überlebende aus der Zeit des Kommunismus, alle anderen wurden nach dem Jahre 2000 geweiht. In ganz Albanien gibt es etwa 200 Priester; zufrieden auch mit dem Priesternachwuchs. Man kann sagen, dass die Kirche in Albanien eine der lebendigsten Kirchen in Europa ist und auch die meisten Gläubigen hat. Doch unser Problem sind sehr zerstreute Gemeinden in den Dörfern. So muss ein Pfarrer fünf oder sechs Dörfer im Durchschnitt betreuen, und das erschwert Koordination und Zusammenarbeit."

Angesichts der Schwäche des albanischen Staates ist die Kirche vor allem im Norden ein wichtiger Faktor; sie betreibt viele Krankenhäuser und Ambulanzen, lindert die Not durch die Caritas und ist auch im Bildungswesen stark präsent. Dazu sagt Massafra:

„In Albanien haben wir fast 8.000 Schüler und Studenten in den verschiedensten Bildungseinrichtungen; das beginnt mit dem Kindergarten und reicht bis zur Universität. So haben wir in Tirana auch eine katholische Universität mit 1.700 Studenten. In Shkodra haben wir viele Schulen, von der Grundschule bis zu höheren Schulen, und wir haben eine besondere Einrichtung für die Ausbildung von Physiotherapeuten. Wir sind in der Bildung sehr engagiert, weil wir glauben, dass wir durch die Bildung des Einzelnen auch die Gesellschaft formen und besser machen, geistig, intellektuell und moralisch.“

Keine Schwierigkeiten bereite der Kirche auch der Umstand, dass es in staatlichen Schulen keinen Religionsunterricht gibt, betont wiederum Rrok Miredita:

"Wir haben dieses Problem sehr gut gelöst, weil wir eine Generation von Religionslehrern ausgebildet haben, wir haben auch Ordensschwestern, die in den Gemeinden tätig sind, und natürlich auch die Priester, die am Samstag unterrichten. Die Kinder gehen zwei Jahre in den Religionsunterricht, ehe sie die Erstkommunion empfangen. Uns ist es noch immer nicht klar, was die beste Lösung wäre, doch unsere Lösung ist ziemlich gut."

Als gut bezeichnet Miredita das Verhältnis zwischen Kirche und Staat, obwohl die Restitution von Eigentum, das unter den Kommunisten beschlagnahmt wurde, noch immer ein großes Problem darstelle. Der Erzbischof von Tirana ist auch überzeugt, dass die Kirche im Volk als moralische Autorität akzeptiert wird. Rrok Miredita:

„Ich bin jeden Tag mit vielen Menschen in Kontakt, und das Volk glaubt an diese Rolle und an die Funktion der Kirche. Doch der Glaube an sich sollte stärker sein als es der Fall ist. Auch unsere Präsenz in den Medien ist mangelhaft. Bis heute sind wir nicht in der Lage gewesen, ein unabhängiges Mediennetzwerk aufzubauen, um unsere Botschaft zu vermitteln, was etwa auch Konfliktthemen betrifft. So ist die Verbreitung unserer Botschaft beschränkt auf die kirchlichen Räume oder etwa die Moscheen, wenn man andere Religionen erwähnt. Hier sollten wir mehr tun, denn auch viele einfache Leute fragen uns, warum wir uns nicht zu gesellschaftlichen oder auch politischen Fragen äußern; doch es gibt auch ein Zögern der Medien, Botschaften der Kirchen zu vermitteln."

Die Kirche selbst verfügt nur über einen kleinen Radiosender und die Medienarbeit insgesamt ist nicht gerade professionell zu nennen. Ihr größtes Problem ist die Wirtschaftskrise. Sie wird immer spürbarer, weil Albaniens wichtigste Handelspartner, Italien und Griechenland, selbst in einer massiven Krise stecken und viele Albaner zurückkehren, die in Griechenland früher Arbeit fanden. So hat die Kirche Probleme, ihre Priester zu entlohnen oder für sie die Sozialversicherungen zu bezahlen. Eine finanzielle Unterstützung des Staates bei der Entlohnung lehnte die Kirche ab, um ihre Unabhängigkeit zu wahren. Das meiste Geld investiert sie in ihre Bildungseinrichtungen. Doch die Katholische Kirche ist auch 20 Jahre nach ihrer Wiedergeburt noch auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Daher wäre nach Ansicht von Erzbischof Angelo Massafra eine teilweise Rückgabe von Kircheneigentum so wichtig, um durch Verkauf oder Verpachtung eine bessere finanzielle Grundlage zu schaffen, um stärker in die Evangelisierung Albaniens investieren zu können.

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