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Tirana zwischen Pyramide und neuem Parlament

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Im März 2011 gewann das weltbekannte Wiener Architektenbüro Coop Himmelblau den Wettbewerb für den Neubau des Parlamentsgebäudes in der albanischen Hauptstadt Tirana. Mit einem baldigen Baubeginn ist jedoch nicht zu rechnen, weil sich Widerstand bei der Opposition aber auch bei Bürgern gegen den Neubau regt. Neben finanziellen Gründen wird kritisiert, dass das neue Parlament die Pyramide ersetzen soll, die vor mehr als 20 Jahren zu Ehren des Diktators Enver Hoxha im Zentrum von Tirana errichtet wurde. In Tirana hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit Wolf D. Prix von Coop Himmelblau über das Projekt gesprochen und den folgenden Bericht über die albanische Debatte zum Neubau gestaltet:

Von 1945 bis 1985 regierte der kommunistische Diktator Enver Hoxha Albanien mit eiserner Hand. Das Land war von der Außenwelt völlig abgeschottet, der Besitz von privaten Autos war verboten, Konsumgüter und Haushaltsgeräte waren weitgehend unbekannt, dafür überzog Hoxha das Land mit einem System an kleinen und großen Betonbunkern, um Albanien vor Feinden zu schützen. Nach seinem Tod errichteten ihm die kommunistischen Nachfolger eine Pyramide im Zentrum von Tirana, am Boulevard der nationalen Märtyrer. 1988 eingeweiht, verfiel das Hoxha-Museum nach dem Sturz des Kommunismus zu Beginn der 90iger Jahre immer mehr. Roter Stern und Marmorverkleidung wurden ebenso entfernt wie die Hoxha-Ausstellung im Innenraum. Gelegentlich für Messen und Ausstellungen genutzt, wollte die konservative Regierung aus Anlass der Staatsgründung Albaniens vor hundert Jahren die Pyramide durch ein modernes Parlamentsgebäude ersetzen. Eine führende Rolle bei der Erreichung der Unabhängigkeit spielte 1912 und 1913 die Habsburger Monarchie, die durch ein unabhängiges Albanien den Einfluss Serbiens am Balkan eindämmen wollte. Aus diesem Grund fand in der Vorwoche in Tirana ein Symposium über die Beziehungen zwischen Wien und Tirana statt, bei dem auch Wolf Prix von Coop Himmelblau sein siegreiches Projekt präsentierte. Das Aussehen des neuen Parlaments beschreibt Prix so:

"Im Prinzip kann man das Gebäude beschreiben als zwei Kegeln; einer als Eingangsgebäude, dort wo Ausstellungen und öffentliche Veranstaltungen stattfinden können; der zweite Kegel ist der Plenarsaal. Und nachdem ich immer gesagt habe, ein Parlament muss offen und transparent sein, ist das ein Glaskegel, und eine Besucherterrasse verbindet diese beiden Kegeln, und von dort kann man in dem Plenarsaal die Arbeit der Abgeordneten beobachten. Das ganze muss ein Bürogebäude sein, und dieses Bürogebäude umschließt den Plenarsaal, so dass der dann praktisch im Innenhof des Bürogebäudes steht."

Nach Angaben albanischer Medien soll der Neubau etwa 100 Millionen Euro kosten. Diese Summe ist einer der Gründe für den Widerstand gegen das Projekt, der bis heute andauert. Albanien spürt zunehmend die internationale Wirtschaftskrise, die Ausgaben für Gesundheit und Bildung mussten gekürzt werden. Darauf verwiesen Journalisten ebenso wie Albaner, die in Internetforen an der Debatte teilnahmen. Online wurden 6.000 Unterschriften gegen das Projekt gesammelt. Hinzu kommt die Debatte um die Erinnerung an das kommunistische Erbe, sprich die Frage, ob eines der letzten Monumente der Diktatur bewahrt werden soll oder nicht? Vergangenheitsbewältigung fand in Albanien nicht statt, Opfer der Diktatur kämpfen bis heute um Entschädigungen, der katholische Norden litt weit stärker als der Süden, aus dem Enver Hoxha stammte, und daher spaltet seine Diktatur die Gesellschaft in gewisser Weise bis heute. Diese Debatte kommentiert Wolf Prix so:

"Uns wurde im Briefing des Wettbewerbs gesagt, der Platz ist frei, die Pyramide wird weggerissen werden. Die Pyramide selbst ist in einem entsetzlichen Zustand, es ist kein Denkmal mehr, sondern es ist eine Ruine eigentlich schon, die zwar angeblich benützt wird, aber das kann ich zum Teil respektieren, man sagt, das ist sozusagen das letzte Denkmal der Ära Enver Hoxhas: Jetzt muss ich aber sagen: diese Gesellschaft in Albanien entwickelt sich, oder ist eine demokratische geworden. Warum sollten wir das Mausoleum eines Diktators behalten und verzichten auf ein transparentes Parlamentsgebäude. Das wäre doch der nächste Schritt in der Demokratie, dass man sich ein dreidimensionales Zeichen setzt."

Zu dieser Zeichensetzung wird es so rasch nicht kommen. In Albanien finden im Sommer nächsten Jahres Parlamentswahlen statt. Daher wird die konservative Regierung wohl vor der Wahl kaum mit dem Bau beginnen, um der sozialistischen Opposition keine Argumente zu liefern. Dabei spielt natürlich die Kostenfrage eine weit größere Rolle als die Bewältigung der Vergangenheit.

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