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Frauen und die HTL in Nordalbanien

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Der Norden Albaniens zählt zu den Entwicklungsschwerpunkten Österreichs am Balkan. Das zeigt sich nicht nur an der massiven wirtschaftlichen Präsenz, sondern an einer HTL, die seit vier Jahren in der Stadt Shkodra besteht. Finanziert vor allem von Unterrichtsministerium arbeiten an dieser HTL 15 Lehrer aus Österreich. Deutsch wird von Grund auf gelehrt und 70 Prozent der Fächer werden in Deutsch unterrichtet; hinzu kommen noch Englisch und Albanisch, weil die Schüler schließlich eine Matura erwerben, die in Österreich und Albanien anerkannt wird. Die österreichischen Lehrer an dieser HTL haben natürlich auch viele Erfahrungen mit der Lage von Mädchen und Frauen in Nordalbanien gemacht. Mit Lehrern und Schülern hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz in Shkodra gesprochen und den folgenden Beitrag über die Lage der Frauen in Nordalbanien gezeichnet.

Mit Hunderttausend Einwohnern ist Shkodra das Zentrum Nordalbaniens. Am Skutarisee im Grenzgebiet zu Montenegro gelegen verfügt die Stadt über die einzige moderne Berufsschule Albaniens - die österreichische HTL für Informationstechnologie. Zu den Gegenständen zählen Computerpraktikum, Elektrotechnik und Softwareentwicklung. Ein Drittel der 160 Schüler sind Mädchen, die in ihrer Technikbegeisterung den Buben um nichts nachstehen. So nennt die 16-jährige Alma Deja als Lieblingsfach:

„Am meisten interessiert mich das Computerpraktikum; da können wir die Fehler in einem Computer finden, und das können wir am besten in diesem Fach lernen.“

Ein weiterer Grund für die Wahl der Schule ist die gute Sprachausbildung.

Im Deutschunterricht werden dabei auch Vergleiche zwischen Österreich und Albanien gezogen, wenn Themen wie Rauchen oder Glückspiel behandelt werden. Den Unterschied zwischen beiden Ländern beschreibt die 18-jährige Sonila so:

„Die Regeln sind fast gleich, aber ich denke, dass in Österreich die Regeln mehr eingehalten werden.“

Auf die Frage nach der Gleichberechtigung antwortet Sonila:

„Ich denke, dass hier Männer viel mehr Arbeit finden können, können vieles mehr machen als Frauen; Frauen müssen viel vorsichtig sein, und in Österreich ist das anders, da sind Männer und Frauen gleich.“

Die Bereitschaft über derartige Fragen zu sprechen, ist nicht besonders ausgeprägt. Ein Mädchen tat es doch, wollte aber dass ihr Vorname geändert wird. Im Beitrag heißt sie daher Nailje. Zu den Einschränkungen, die Mädchen etwa beim Fortgehen am Abend akzeptieren müssen, sofern es überhaupt erlaubt wird, sagt Nailje:

"Es ist in Begleitung, nicht immer streng in Begleitung, sondern in den meisten Fällen schon. Es muss ein Cousin dabei sein, eine Cousine, halt ein Bekannter der Familie." (12)

Praktisch unmöglich sei es, dass ein Paar zusammenlebe, ohne verheiratet zu sein, betont Nailje:

"In Tirana gibt es schon Fälle, die halt zusammenleben ohne Trauschein. Aber in Shkodra, soweit ich weiß, kenne ich nur einen Fall, wie das vor ein paar Jahren passiert ist, aber jetzt sind sie schon verheiratet. Ansonsten - in Shkodra ist das strengstens verboten." (17)

Erfahrung mit dem patriarchalischen Weltbild in Nordalbanien haben natürlich auch österreichische Lehrer gemacht, die an der HTL unterrichten. Ein Erlebnis erzählt der Deutschlehrer Bernd Herta:

„Wir waren verwundert, als eine albanische Kollegin, die Deutschland und Österreich kennt, gesagt hat, ihr Ehemann würde von ihrer Familie für sie ausgesucht, die damit auch vollkommen einverstanden war. Wo gesagt wird, in der Fußgängerzone sitzt eine Frau weder alleine noch zu zweit auf der Parkbank, das macht man nicht.“

Dabei bestehen kaum Unterschiede zwischen Albanern katholischen und islamischen Glaubens. Österreicherinnen und andere Ausländer sind diesen Beschränkungen natürlich nicht unterworfen. Trotzdem spüren auch sie diese Mentalität. Viel Erfahrung damit gesammelt haben Gerlinde und Manfred Tagini, die als Lehrer schon das neunte Jahr in Albanien tätig sind. Manfred Tagini unterrichtet Deutsch an der HTL, seine Frau Gerlinde ist die Direktorin der Schule. Mit dieser Rollenverteilung haben Albaner im Norden durchaus ihre Schwierigkeiten, betont Gerlinde Tagini:

„Es ist natürlich schon so, dass wir sehr oft gefragt werden, warum ich Direktorin bin und mein Mann nicht Direktor ist; und ich helfe mir dann auch immer mit einer sehr traditionellen Antwort und sage: „Ich bin die Direktorin in der Schule und mein Mann ist der Direktor zu Hause, und das versursacht immer ein Lachen und dann ist diese schwierige Situation ein Mal gelöst für die meisten.“

Und Ehemann Manfred ergänzt:

„Gerlinde ist die Direktorin, aber für traditionelle Albaner bin immer ich der Ansprechpartner. Sogar wenn man ins Dorf kommt, ist es so, dass meine Frau nicht direkt angesprochen wird, sondern die Kommunikation nur von Mann zu Mann läuft; und ich muss dann die Gerlinde fragen, ob ihr der Kaffe geschmeckt hat. Gerlinde sagt dann, ihr hat der Kaffee geschmeckt, ich sage das dann dem Hausherrn, dass meiner Frau der Kaffe geschmeckt hat. Dann sagt der Hausherr, dass ihn das freut, und bitte mich, dass ich das dann meiner Frau sage.“

Diese Verhaltensweise ist nicht nur auf Nordalbanien beschränkt, obwohl hier das Stadt – Land-Gefälle - nichts zuletzt angesichts vieler Bergdörfer - noch stärker ausgeprägt ist. Die triste Wirtschaftslage begünstigt die Abwanderung nach Shkodra. Arbeit gibt es etwa in einer Textilfabrik, die als verlängerte Werkbank Damen- und Herrnunterwäsche herstellt. … Produziert wird vor allem für den italienischen Markt, und als Näherinnen arbeiten ausschließlich Frauen; viele stammen aus Dörfern und verdienen in Shkodra etwa 100 bis 150 Euro pro Monat. Die Unterwäsche kann seit kurzem auch in einem Geschäft in der Innenstadt von Shkodra gekauft werden, wobei einzelne Modelle umgerechnet fünf, zehn und mehr Euro kosten. Der Ansturm auf das Geschäft ist jedoch durchaus überschaubar. Warum das so ist, erläutert die Schülerin Nailje:

"Finanzielle Probleme sind es auch, aber mit dem Sozialen, das ist es auch, dass ist eher peinlich, dass die jemand hineingehen sieht."

Mit dieser Mischung aus sozialen Problemen und patriarchalischer Lebensweise haben etwa auch Frauen zu kämpfen, die sich scheiden lassen wollen. Dabei bestehen durchaus Ansätze für eine Frauenberatung und seit einigen Jahren gibt es in Shkodra auch ein Frauenhaus. Dazu sagt Nailje:

„Das funktioniert ganz gut; es ist von der Polizei und der Regierung unterstützt - es gehen Frauen schon dorthin, die sich beschweren gegen Gewalt in der Familie. Man kann keine Zahlen sagen, die Statistik wurde nie gemacht, aber es passiert schon sehr oft. Und mit der Scheidung ist das schon ein Problem, weil in Shkodra ist es auch finanziell ein Problem, eine Frau mit Kindern allein zu ernähren, dass sie allein mit den Kindern irgendwo anders leben kann. Also mit der Scheidung funktioniert das nicht.“

Doch das ist bei weitem nicht das einzige, was in Albanien noch nicht funktioniert. So werden im dem Land gerade erst Postleizahlen eingeführt, viele Straßen haben weder Namen noch Hausnummer und auch die Infrastruktur ist schlecht. So gibt es in Shkodra mit Hundertausend Einwohnern keinen einzigen Supermarkt und nur ein Kino, das im Winter aber nicht bespielt wird, weil es keine Heizung hat. Trotzdem hat das Land in den vergangenen fünf Jahren große Fortschritte gemacht, vom Straßenbau bis zum E-Banking, und in Shkodra gibt es sogar erste Ansätze zur Mülltrennung. Dazu sagt der HTL-Lehrer Wolfram Dünser

„Es gibt einen Dosencontainer, der hat so kleine Löcher; das bedeutet aber nicht, dass darin jetzt Dosen liegen, sondern dass da drinnen Abfall liegt, der durch dieses Loch passt. Ja, es ist ein weiter weg, aber ich traue es den Albanern zu, dass sie es schaffen werden.“

Daher versucht die HTL ein Verständnis für Umweltschutz zu vermittelt; ALU-Dosen werden an der Schule nun gesammelt, andere Stoffe sollen folgen. Doch nicht nur Mülltrennung erfordert eine Änderung der Mentalität und eine bessere soziale und wirtschaftliche Lage, sondern auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Durch Ausbildung und das Vorbild der Lehrer leistet die österreichische HTL in Shkodra daher auch auf diesem Gebiet mittelfristig einen Beitrag zur Modernisierung Albaniens.

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