Uraufführung von Thomas Bernhard in Tirana
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Forca e Zakonit – lautet die albanische Übersetzung von Thomas Bernhards Stück „Die Macht der Gewohnheit“. Trotz geringer Werbung und Wirtschaftskrise waren die 500 Sitzplätze im Nationaltheater ausverkauft, Eintrittskarten kosteten unisono 2,50 Euro. Das Stück ist die Geschichte des diktatorischen Zirkusdirektors Garibaldi; er ist davon besessen, Schuberts Forellenquintett perfekt aufzuführen. Bereits 22 Jahre zwingt er seine Mitarbeiter zur Probe, die immer wieder sabotiert wird. Daher wertet Garibaldi, gespielt vom 52-jährigen Vasian Lami, die letzte Probe als Skandal, den er nicht mehr erleben möchte, die Wahrheit sei eine Katastrophe; auf Albanisch klingt das so:
Keine Katastrophe waren die Proben; doch Regisseur Christian Papke wurde stoische Ruhe abverlangt nicht zuletzt wegen der Bühnentechnik. Die Decke der Dekoration muss von einem Bühnenarbeiter mit einer Kurbel über Seilzüge angehoben werden. Die Motoren der Unterbühne sind verrostet, der Brandschutz des Theaters praktisch nicht vorhanden und die Scheinwerfer haben bereits musealen Charakter. Willig und einsatzbereit waren dafür die Bühnenarbeiter, wie Regisseur Christian Papke betont:
„Sie sind absolut bereit, kreativ und individuell Lösungen zu finden, und sich des anderen anzunehmen mit seiner Frage mit seinem Problem; auch hier die Relativierung: wir haben Montag von neun Uhr in der Früh bis zwei Uhr in der Nacht gearbeitet. Das Resultat des Tages war, dass das Bühnenbild zusammen gebrochen ist, um am Ende des Tages eigentlich nicht viel mehr geschehen ist als am Anfang. Aber man ist willig, ist bemüht, man versucht.“
Kein Problem hatten Schauspieler und Publikum, die Grundaussage des Stücks zu verstehen. Sie beschreibt Garibaldi-Darsteller Vasian Lami so:
„Die Botschaft ist ein Appell gegen die Diktatur. Wenn wir uns konkrete Diktatoren vorstellen, wie Mussolini, Stalin oder Enver Hoxha, dann haben wir eine genaue Vorstellung davon, wie sie waren. Unsere Hauptfigur Garibaldi trägt in sich die Eigenschaften aller Diktatoren, die Bernhard in diesen Charakter hineingelegt hat.“
Albaniens Diktator Enver Hoxha ist seit fast 25 Jahren tot; doch das Ende des Kommunismus ist noch keine 20 Jahre her. Die meisten Schauspieler haben diese Zeit bewusst erlebt; sie sei nicht völlig zur Geschichte geworden, betont der 40-jährige Neriton Liqaj, der den Jongleur spielt:
„Wir sind im Übergang; der Müll der Diktatur ist noch immer da. Die Albaner leben jeden Moment mit dieser Vergangenheit oder dieser Post-Diktatur. Wir sind keine wirkliche Demokratie, wir sind irgendwo dazwischen.“
Auch der albanischen Gegenwart entspricht in gewisser Hinsicht das Gefühl irgendwo festzusitzen. Visafreies Reisen in die EU binnen Jahresfrist versprach die konservative Regierung im Wahlkampf für die Parlamentswahl Ende Juni. Die Regierung siegte knapp, doch das Reformtempo ist zu langsam, um das Versprechen halten zu können. Trotzdem macht die Aufnahme in die NATO im Frühjahr Mut. Daher plakatierte die Regierung: „Sot NATO – Neser BE – Heute NATO – Morgen EU“. Diese Parole erinnert an Thomas Bernhards „Macht der Gewohnheit“. Dort lautet die fragwürdige Verheißung „Morgen in Augsburg“ …..
"Neser ne Augsburg"
Zwischen beiden Parolen sieht Bernhards albanische Übersetzerin Jonila Godole durchaus Zusammenhänge:
„Neser EU – das wäre interessant; das ist das, was wir sagen, und eigentlich klingt es mehr wie „Never“ – Niemals EU.“
So trostlos ist die Realität nicht, die Wahlen verliefen immerhin friedlich. Dagegen eskalierte auf der Bühne nach 22 Jahren erfolgloser Proben die Lage, und Garibaldi stirbt mit der augsburgischen Verheißung auf den Lippen:
„Neser nje Augsburg“
Der anschließende Applaus zeigte, dass in Albanien auch Thomas Bernhard Zukunft hat.