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Albanien vor der Wahl

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Berichte Albanien
In Albanien wird am Sonntag das Parlament neu gewählt. Zu wählen haben die knapp 3,1 Millionen Albaner 140 Abgeordnete und zwischen mehr als 30 Parteien. Sie sind in je zwei konservative und zwei linke Wahlbündnissen zusammen geschlossen. Die größte derartige Koalition umfasst 15 Kleinparteien unter Führung der Demokratischen Parteien des konservativen Ministerpräsidenten Sali Berisha. Der größte Herausforderer des 64-jährigen Berisha ist der um 20 Jahre jüngere Parteichef der Sozialisten, Edi Rama. Rama ist seit neun Jahren Bürgermeister von Tirana. Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen beiden voraus. Über Sieg und Niederlage dürfte daher auch das Abschneiden der beiden kleineren Koalitionen entscheiden. Den Wahlkampf in Albanien beobachtet hat unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz, der in Tirana den folgenden Beitrag gestaltet hat:

Das Wort „Wandel“ ist das Schlüsselwort des Wahlkampfs in Albanien. So plakatierte der sozialistische Oppositionsführer Edi Rama: „Für eine neue Politik des Wandels“. Rama versuchte, eine Wendestimmung zu erzeugen. Er warf dem konservativen Ministerpräsidenten Sali Berisha vor, beim Kampf gegen Korruption und Kriminalität versagt zu haben. Daher müssten die Albaner weiter auf ein Visa-freies Reisen in die EU warten, während Serbien, Montenegro und Mazedonien mit Jahresende Visafreiheit hätten. Darüber hinaus rief Rama bei seinen Kundgebungen zur massenhaften Teilnahme an den Wahlen auf:

„Eure Stimme ist ebenso bedeutsam wie unsere Herausforderung durch Armut, Arbeitslosigkeit, Dummheit, Korruption und Gewalt. Eure Stimme ist ebenso gewichtig wie unsere Last, Albanien ebenso zu reformieren wie das im übrigen Europa geschehen ist. Stimmt für die Sozialisten.“

Sali Berisha versuchte, den durchaus bei vielen Wählern vorhandenen Wende-Wunsch zu neutralisieren, und zwar mit seinem Motto: „Albanien wandelt sich“. Diesen Wandel verkündete Berisha unermüdlich und nicht nur bei Kundgebungen. Zum Beweis wurden Spatenstiche inszeniert, wie etwa der Bau einer Kraftwerkskette am Fluss Devoll. Dieses Projekt pries Sali Berisha mit folgenden Worten:

„Den Beginn dieser Arbeit haben wir uns vor vier Jahren nicht vorstellen können. Und jetzt eröffne ich ein Projekt, das für Albanien, den Balkan und für Europa gigantisch ist – ein Energieprojekt für unseren Kontinent.“

Einziger Schönheitsfehler des Spatenstichs war, dass mit dem konkreten Baubeginn erst in zwei Jahren zu rechnen ist, wenn alle Genehmigungen vorliegen. Doch es ist Wahlkampf, und außerdem zeigt gerade die Infrastruktur, dass sich Albanien tatsächlich gewandelt hat. Die Straßen sind viel besser geworden und das Bankenwesen wurde modernisiert. Hinzu kommt der NATO-Beitritt im Frühjahr, und daher plakatierte Berisha auch: Heute NATO – Morgen EU – und versprach die Visafreiheit für die EU für das kommende Jahr. Doch die Ausstellung biometrischer Pässe verläuft viel zu langsam, um das Versprechen halten zu können. Personalausweise wurden dafür massenhaft ausgestellt, und zwar 1,4 Millionen. Diese Ausweise sorgten für die Dauerkontroverse des Wahlkampfes. Die Opposition beschuldigte die Regierung, mit einer selektiven Ausstellung sozialistische Wählerschichten an der Wahl hindern zu wollen. Denn wählen kann nur, wer Pass oder Personalausweis besitzt. Die Regierung wies jedenfalls alle Vorwürfe zurück. Zweifellos bestehen noch große Probleme, beim Aufbau eines modernen Meldewesens und korrekter Wählerlisten. Dazu sagt der Leiter der Kurzzeitwahlbeobachter, der Österreicher Wolfgang Großruck:

„Die großen Probleme sind die vielen Illegalen, die auswärts sind; man spricht in Albanien von 200.000 Menschen, die sich illegal woanders aufhalten, aber auch die Gastarbeiter. Ich glaube, das in geordnete Verhältnisse zu bringen ist eine große Herausforderung, und die Anstrengungen werden gemacht.“

400 internationale Beobachter werden am Wahltag im Einsatz sein. Sie sollen Wahlbetrug ebenso verhindern wie Kameras in den Auszählungszentren; sie werden jeden ausgezählten Stimmzettel filmen. Ob dadurch erstmals faire Wahlen garantiert sind, wird sich am Sonntag zeigen.

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