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Interview mit Ministerpräsident Sali Berisha

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Berichte Albanien
In Albanien wird Ende Juni das Parlament neu gewählt. Vier Bündnisse mit insgesamt mehr als 30 Parteien treten an. Umfragen und Beobachter rechnen mit einem knappen Rennen zwischen dem amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Sali Berisha und dem Bürgermeister von Tirana, Edi Rama, der die Sozialdemokraten anführt. Während Rama eine politische Wende verspricht, wirbt Berisha damit, dass sich Albanien unter seiner Führung bereits massiv gewandelt habe. Bilanz gezogen über seine vier Regierungsjahre hat Berisha auch in einem Interview, das unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz mit ihm in Tirana geführt hat. Hier sein Bericht:

„Shqiperia po ndryshon“ - Albanien wandelt sich – lauten der Wahlkampfhit und das Motto der Demokratischen Partei von Ministerpräsident Sali Berisha. Der 64-jährige Berisha zieht denn im Wahlkampf auch mit großem persönlichem Einsatz quer durch Albanien, um seine Wähler von seinen Erfolgen zu überzeugen. Dazu zählen der NATO-Beitritt im Frühling dieses Jahres aber auch wirtschaftliche Erfolge. Seine positive Regierungsbilanz formuliert Sali Berisha so:

„Mein Land hat sich enorm gewandelt! Nun ist es das bevorzugteste Land für ausländische Investitionen. Allein in den vergangenen sechs Monaten unterzeichneten wir Verträge im Umfang von fünf Milliarden Euro, die teilweise bereits umgesetzt werden. Dabei führt Österreich. So hat die EVN kürzlich mit dem Projekt einer Kette von Wasserkraftwerken begonnen; allein das ist eine Investition von einer Milliarde Euro.“

Die Infrastruktur zählt wirklich zu Berishas sichtbaren Leistungen. Die Straßen sind unvergleichlich besser geworden, und wo früher vielfach nur Löcher waren gibt es jetzt eine Asphaltdecke. Doch auch als großer Kämpfer gegen Korruption und Kriminalität sieht sich Berisha:

„Ganze Regionen haben kriminelle Gruppen beherrscht; mehr als 200 wurden beseitigt, mehr als tausend Kriminelle wurden vor Gericht gestellt. Nun hat Albanien eine Kriminalitätsrate, die niedriger ist als der EU- Durchschnitt. Auch bei der Korruption hat sich die Lage völlig geändert. Ich bestreite nicht, dass es Korruption gibt, doch das System der Ausplünderung haben wir beseitigt. So haben wir in vier Jahren in der Verwaltung Interessenskonflikte beseitigt und dass gesamte Beschaffungswesen sowie das Zoll- und Steuersystem reformiert.“

Richtig ist, dass Albanien eine Flattax von nur 10 Prozent hat, und auch bei der Reform der Polizei Fortschritte machte. Doch im Kampf gegen Korruption sieht die Realität doch anders aus. So berichten Firmen hinter vorgehaltender Hand, dass Genehmigungen in einem vertretbaren Zeitraum ohne Schmiergeld kaum zu haben sind. Säumig ist Albanien bei der Umsetzung jener vier EU-Bedingungen, für die Visafreiheit sind, die etwa Serbien mit Jahresende gewährt werden soll. Trotzdem verspricht Sali Berisha im Wahlkampf die Visafreiheit bereits für 2010:

„.Wir haben vier Bedingungen, die wir erfüllen müssen und wir sind dabei, sie zu erfüllen. Wir sind bei den biometrischen Pässen noch im Rückstand, doch die Zahl der Albaner wächst, die diese Pässe beantragt. Wir gehen wirklich sehr sorgsam mit all den Forderungen um, die die EU-Kommission stellt. Auch die Ausstellung der biometrischen Pässe beschleunigt sich.“

Nicht gerade rasend beschleunigt hat sich binnen vier Jahren auch die Demokratisierung. Zwar gelang eine umfassende Reform des Wahlrechts, doch im Wahlkampf gibt es praktisch keine unabhängigen Medien. Die Parteinahme für Berisha oder für den sozialdemokratischen Herausforderer Edi Rama ist klar erkennbar; und die TV-Sender strahlen die Bilder aus, die von den Parteien bei Kundgebungen mit großer Professionalität mit eigenen Kamerateams gedreht und selbst geschnitten werden. Berisha verspricht jedenfalls demokratische Wahlen, den Gedanken an eine Niederlage weist er weit von sich:

„Obwohl ich bereit bin, jedes Urteil der Albaner zu akzeptieren, scheint es, dass sie mich in sehr großer Zahl wählen werden. Doch ich sage auch: keine Koalition mit Edi Rama, nein.“

Diese herzliche Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Gemeinsam ist Berisha und Rama jedoch das Ziel, Albanien so rasch wie möglich in die EU führen zu wollen. Denn nur durch die EU-Integration könnte die Stabilisierung des Balkan dauerhaft gelingen, lautet das gemeinsame Credo.

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