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Jugendbewegung Mjaft

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Berichte Albanien
Von Serbien bis hin zu Georgien haben Jugend- und Studentenbewegungen einen großen Beitrag zum Sturz autokratischer Regime geleistet. In Serbien hieß diese Bewegung Otpor, die ein Speerspitze im Kampf gegen Slobodan Milosevic war. In der Ukraine war es Pora, die vor einigen Monaten mit Massenprotesten faire Wahlen und den Machtwechsel erzwang. Auch in Albanien besteht eine derartige Bewegung. Sie heißt Mjaft, auf deutsch „Genug“. Mjaft will vor allem die Albaner vor den Parlamentswahlen aufrütteln, die im Frühsommer dieses Jahres stattfinden werden. In Tirana hat unser Balkankorrespondent Christian Wehrschütz mit Mitgliedern der Gruppe „Mjaft“ gesprochen und folgenden Bericht gestaltet:

Die Gruppe „Mjaft“ entstand in Albanien vor zwei Jahren zunächst als eine Art Treffpunkt für Jugendlich, die im Ausland studiert hatten. Zu ihnen zählt der 25-jährige Erion Velja, der in den USA Politikwissenschaften studiert hat. Die Ursprünge von „Mjaft“ beschreibt Velja so:

„Es begann wie viele Gespräche in Albanien. Die Leute stellten die Ein-Millionen-Dollare-Frage: Was läuft falsch in diesem Land, warum geht nichts weiter, warum sind wir nicht in Europa integriert, warum sind Arbeitslosigkeit und Armut so hoch in Albanien, ohne dass es eine politische Alternative gibt. Geboren wurde die Bewegung aus der Frustration heraus und es begann als Kampagne gegen die Apathie, nicht gegen einen bestimmen Politiker. Das Ziel war die albanische Mentalität und nicht eine Person als Symbol alles Schlechten wie etwa Milosevic, Kutschma oder Schewardnadze. Das Szenario hier ist ganz anders.“

So hat Albanien keinen autokratischen Bösewicht aber eine politische Elite, die bisher durch Wahlen an die Macht kam, deren demokratische Standards von internationalen Organisationen bezweifelt wurden. Das gilt für den amtierenden Ministerpräsidenten Fatos Nano als auch für den derzeitigen Führer der Opposition Sali Berisha. Mjaft und vielen Albanern fehlen somit eine klare Alternative. Dazu sagt Erion Velja:

„Das Problem ist nicht Nano oder Berisha, das Problem ist die Mentalität von drei Millionen Bürgern, die Personen wie Nano oder Berisha hervorbringen. So sehr wir beide nicht mögen und Opposition und Regierung angreifen, gibt es schließlich genug Stimmen, die Berisha und Nano dort lassen, wo sie sind. Die große Herausforderung ist die selbe wie bei Orwells „Farm der Tiere“. Die große Herausforderung sind nicht Napoleon oder Schneeball, sondern das Schaf, dass diesen Personen applaudiert. Unser Ziel ist daher die albanische Mentalität. In diesem Sinne stehen wir wirklich vor einem Dilemma.“

Mjaft hat sich daher in seinen Aktionen bisher weniger auf Personen, sondern auf Institutionen und konkrete Probleme konzentriert. Dazu zählen die Forderung nach mehr Geld für Bildung, für besseren Umweltschutz oder für niedrigere Telefonpreise. Beim Kampf gegen die staatliche Stromgesellschaft und für bessere Stromversorgung suchte sich „Mjaft“ als Ziel Ministerpräsident Fatos Nano aus. Erion Velja:

„Um öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen, stellten wir 50 Stromaggregate vor dem Privathaus des Ministerpräsidenten auf und warfen sie zur Mittagszeit an. Er klagte uns wegen Störung der öffentlichen Ordnung. Das erregte Aufmerksamkeit, und damit genügend Druck, um zu einer Änderung der Politik zu führen. Das wiederum spüren die Menschen in ihren Geldbörsen und zeigt ihnen, wie eine derartige Organisation ihnen im täglichen Leben helfen kann.“

Trotzdem kommt es nicht nur im Norden Albaniens nach wie vor zu täglichen Stromengpässen. Auch das zeigt, wie mühsam die Ziele zu erreichen sind, die sich „Mjaft“ gesteckt hat. Aktiv sein will die Gruppe, die nach eigenen Angaben 700 Aktivisten und 7000 Sympathisanten zählt, auch vor den Parlamentswahlen in Albanien im Frühsommer dieses Jahres. Parteien sollen aber nicht unterstützt werden, betone Erion Velja:

„Wir wollen die Probleme aufzeigen und eine öffentliche Debatte auslösen. Das ist wie eine nationale Schule für Bürgersinn, denn die Menschen sind es nicht gewohnt, gefragt zu werden. Im Kommunismus wählten sie, wie ihnen befohlen wurde, und gingen dann nach Hause. Wir versuchen, die Bürger zum selbständigen Denken zu bewegen. Denn die Politiker arbeiten für euch und es ist euer Steuergeld, das für die Mercedes der Politiker ausgegeben wird. Emanzipation ist ein langsamer Prozess, doch langfristig ist das der beste Weg.“

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