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Soziale und wirtschaftliche Lage in Albanien

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Berichte Albanien
In Albanien finden kommenden Sonntag Parlamentswahlen statt. Dabei könnte nach Umfragen die sozialistische Koalitionsregierung unter Fatos Nano ihre Mehrheit verlieren. Eine Niederlage ist eher wahrscheinlich, obwohl mit dem Vorsitzenden der Demokratischen Partei, Sali Berisha, keine zugkräftige Alternative vorhanden ist. Doch die Unzufriedenheit mit Nano könnte noch größer sein als die negativen Erfahrungen mit Berisha, der 1997 nach dem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung seinen Hut nehmen musste. Denn nach Umfragen bewerten nur 15 Prozent ihre wirtschaftliche Lage als gut, 50 Prozent jedoch als schlecht. Gleichzeitig geben 60 Prozent der Befragten an, ihre wirtschaftliche Lage habe sich binnen Jahresfrist nicht geändert. Doch wie ist nun die wirtschaftliche und soziale Lage in Albanien? Dieser Frage ist in Tirana unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz nachgegangen. Hier sein Bericht:

Auch in Albanien sind Wahlprogramme politischer Parteien eher eine Ansammlung mehr oder weniger einlösbarer Versprechen. Trotzdem sagen diese Versprechen viel über die soziale und wirtschaftliche Lage des Landes und den Zustand seiner Infrastruktur aus. So versprechen etwa die regierenden Sozialisten 24-Stunden-Stromversorgung für alle, die bezahlen sowie die Sicherung der Wasserversorgung für alle Gemeinden. Die oppositionelle Demokratische Partei will eine flächendeckende Wasser- und Stromversorgung gar binnen Jahresfrist sicherstellen. Weiters sollen 4.000 Kilometer Landstraßen bis zum Jahre 2009 asphaltiert werden, wobei die Demokraten angeben, dass derzeit nur 12 Prozent aller Straßen in Albanien asphaltiert sind. Ebenfalls bis zum Jahre 2009 wollen die Sozialisten wiederum die Armut halbieren. Zum Lohnniveau sagt die Leiterin des Statistischen Zentralamtes in Tirana, Milva Ekonomi:

„Üblicherweise sind die Gehälter sehr hoch, wenn man für internationale Organisationen oder für Banken arbeitet. Da beträgt das Monateinkommen mehr als 500 Dollar im Durchschnitt. Doch in der Landwirtschaft gibt es keine Löhne, und man muss seine Erzeugnisse verkaufen, um ein Einkommen zu haben. Doch in der Landwirtschaft besteht diese Möglichkeit nicht immer. So lebt man dann von seinen Erzeugnissen, von der gegenseitigen Hilfe oder man hofft, dass einer in der Familie einen Beruf findet und Lohn bekommt. Generell sind die Löhne im öffentlichen Sektor höher als im privaten. Durchschnittlich liegen die Löhne im öffentlichen Bereich bei etwa 250 Dollar, im privaten Bereich bei 220 Dollar im Monat.“

Doch ein Liter Benzin kostet in Albanien fast einen Euro. Niedrig ist die Kaufkraft aber auch, weil die Landwirtschaft so dominant ist, wie Milva Ekonomi erläutert:

„In Albanien haben wir zumindestens eine Million Einwohner im arbeitsfähigen Alter von 15 bis 65 Jahren. Die Mehrheit davon ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Das sind etwa 50 Prozent und von den restlichen 50 Prozent arbeiten zwei Drittel im öffentlichen und ein Drittel im privaten Sektor.“

Gemildert wird die triste Lage durch Schattenwirtschaft, durch Albaner im Ausland sowie durch Reformerfolge der Regierung. Auf durchschnittlich 30 Prozent schätzt Milva Ekonomi die Schattenwirtschaft, wobei dieser Wert etwa in der Bauwirtschaft noch weit höher sein dürfte. Dadurch werden weniger Steuern bezahlt, ein Umstand, der auch für viele Zweit- und Drittberufe gilt, mit denen Albaner sich über Wasser halten. Hinzu kommen etwa 700.000 albanische Arbeitskräfte im Ausland. Sie haben 2004 nach Angaben der Nationalbank etwa eine Milliarde Dollar nach Albanien geschickt, das 3,5 Millionen Bürger zählt. Doch nur ein Viertel des Geldes wurde über Banken überwiesen. Die Reduzierung der Bargeldwirtschaft ist ein Ziel, dem die Regierung mit der Übernahme der Sparkasse durch die österreichische RZB einen guten Schritt näher gekommen ist. 85.000 Staatsbedienstete sollen noch heuer ihre Bezüge erstmals über Gehaltskonten erhalten. Zu den Erfolgen der Regierung zählen auch ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent, eine niedrige Inflation, der Abbau der Staatsverschuldung und ein niedriges Budgetdefizit. Zu kämpfen hat Albanien jedoch mit Korruption, schlecht ausgebildeten Arbeitskräften und einem komplizierten Steuersystem. Vielen Albanern gehen daher die Reformen zu langsam; gleichzeitig fürchten viele jedoch, dass ein Machtwechsel neuerlich zur Instabilität führen und die Transition verlangsamen könnte. Bis zur Parlamentswahl am Sonntag gilt es in Albanien nun diesen Zwiespalt zu lösen und zwischen Regierung und Opposition zu entscheiden.

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