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Albanien vor Präsidentenwahl

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Wer bei Albanien nicht an Karl Mays Roman „Durch das Land der Skipetaren“ denkt verbin-det mit dem Land eher Armut, Korruption, Kriminalität und den Machtkampf zwischen den beiden großen politischen Lagern. Um so überraschender wirkt nun die Nachricht, daß sich die regierenden Sozialisten unter Fatos Nano und die größte Oppositionspartei, die Demokra-tische Partei unter Sali Berisha, auf einen gemeinsamen Kandidaten für das Amt des albani-schen Präsidenten geeinigt haben. Es ist dies Alfred Moisiu, ein früherer Verteidigungs-minister. Moisiu soll heute vom Parlament in Tirana zum neuen Präsidenten gewählt werden. Hören Sie dazu einen Bericht unseres Balkan-Korrespondenten Christian Wehrschütz:

Wenn Alfred Moisiu heute vom Parlament in Tirana zum Nachfolger von Rexhep Meidani als albanischer Präsident gewählt wird, so ist das gleich in dreifacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens wurde der Kampf um das Präsidentenamt von Sozialisten und Demokratischer Partei bisher immer mit großer Erbitterung geführt, obwohl der Staatspräsident vor allem nur eine Repräsentationsfigur ohne große politische Macht ist. Die Einigung auf Alfred Moisiu be-deutet somit, daß beide Lager zumindestens einen befristeten Burgfrieden geschlossen haben, der als Zeichen hin zur Stabilisierung Albaniens gewertet werden kann. Wesentlich dazu bei-getragen dürfte die EU haben; sie will mit Albanien über erst ein Stabilisierungs- und Assozi-ationsabkommen verhandeln, wenn die Lage stabiler geworden ist. Die Rolle der EU bei unterstreicht auch der österreichische Botschafter in Tirana, Horst-Dieter Renau:

„Albanien und das betrifft jetzt alle Sektoren das ist die Regierung, das ist die Wirtschaft, das ist die Bevölkerung ist an und für sich überzeugt das sie in die europäische Völkerfamilie hineinkommen müssen, das heißt dass es eigentlich keine alternative für die Entwicklung des Landes gibt- und insofern glaube ich das Signale aus Brüssel so ernst genommen worden sind dass die beiden großen Parteien sich bemüht haben ihre Gegensätze zu überbrücken und das Resultat davon ist nun dieser gemeinsame Kandidat für das Präsidentenamt.“

Daß Tirana mit der Wahl des Präsidenten ein Signal in Richtung Brüssel setzen will, zeigt auch der Umstand, daß zunächst der albanische Botschafter bei der EU als aussichtsreichster Kandidat galt. Dieser Diplomat verzichtete, weil seine Kandidatur nicht von allen Abgeord-neten der Sozialisten mitgetragen wurde; daher war das Erreichen der erforderlichen Drei-fünftelmehrheit im Parlament nicht gewährleistet, das 140 Sitze zählt; und nun soll Alfred Moisiu zum Zuge kommen. Moisiu ist 74 Jahre alt; fiel unter Diktator Envar Hoxha in Un-gnade und war nach den ersten freien Wahlen 1991 Verteidigungsminister. 1992 bis 1997 war Moisiu stellvetretender Verteidigungsminister. Zu seinen weiteren Funktionen sagt der öster-reichische Botschafter Horst-Dieter Renau:

„Als Funktion die er bis dato ausgeführt hat ist mir bekannt dass er Präsident der Albanien Atlantic Association ist das ist eine Art private Gesellschaft die sich für den Beitritt Albaniens zur Nato einsetzt. Wobei das immer parallel geht gemeint ist ein Natobeitritt und eine Annäherung an die Europäische Union mit schließlich dann dem Beitritt als Folge.“

Somit ist auch Alfred Moisiu gleich in doppelter Hinsicht ein Signal in Richtung Brüssel. Doch Signale allein sind zu wenig. Auf dem Weg Richtung NATO und EU wird die Regierung im Kampf gegen Korruption, Organisierte Kriminalität und Mißwirtschaft nun ernst machen und damit auch mit alten Klantraditionen brechen müssen. Wie weit der Weg noch ist, zeigte erst jüngst ein Fall von Blutrache. So wurde im Mai bei einem Begräbnis ein Oberst erschossen. Er war an der Jagd nach einen verurteilten Mörder beteiligt, der aus dem Gefängnis ausgebrochen war und auf der Flucht erschossen wurde. Zum Begräbnis kam der Oberst, um den Hinterbliebenen des Toten sein Beileid auszudrücken, ein Mitgefühl, das jedoch nicht von allen Familienmitgliedern akzeptiert wurde
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