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UCK überschattet Mazedonien-Verhandlungen

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Berichte Albanien
In Mazedonien sollen heute die Verhandlungen zwischen den albanischen und den mazedonischen Parteien über einen politischen Ausgleich fortgesetzt werden. Ein wesentlicher militärischer und daher auch politischer Faktor wird bei den Gesprächen nicht körperlich anwesend aber geistig gegenwärtig sein: die albanische Freischärler-bewegung UCK. Sie hat mit ihrem Auftauchen die Albaner-Frage in Mazedonien weltweit bekannt gemacht; gleichzeitig steht das Land aber wegen der Gefechte zwischen den Freischärlern und den mazedonischen Streit-kräften am Rande des Bürgerkriegs. Unser Balkan-Korrespondent Christian Wehrschütz hat im Raum Tetovo eine Einheit der UCK besucht und die folgende Reportage verfaßt:

Text:

Die albanischen Freischärler der UCK sind in Poroj, einem Vorort von Tetovo, weit sichtbarer präsent als noch vor wenigen Wochen. Auf dem Weg vom Stadtzentrum in Tetovo in den Vorort umfährt der albanische Verbin-dungsmann mühelos den Kontrollposten der mazedonischen Spezialpolizei; nach wenigen Minuten stoßen wir bereits auf einen UCK-Posten, der knapp vor dem Stützpunkt der Freischärler liegt; ein UCK-Mann holt uns ab; er arbeitete im März als Verbindungsmann zu den Freischärlern und dient nun als Scharfschütze. Seine Deutsch-kenntnisse hat der Mann als Gastarbeiter in Hamburg erworben; Deutsch ist auch bei dem Gespräch mit den anderen Freischärlern in einem Wohnhaus in Poroj sehr nützlich, das als lokales Hauptquartier dieser UCK-Einheit dient. Im Wohnzimmer empfangen uns etwa zehn Freischärler; einer ist aus Nürnberg nach Mazedonien zurückgekehrt, um sein Vaterland zu verteidigen, wie er sagt. Ein zweiter Albaner hat sechs Semester Deutsch an der Universität Wien studiert und in Stockerau gewohnt; ihr Kommandant stammt auch aus Tetovo, spricht allerdings nicht deutsch; doch mit dem gelernten Elektroingenieur sind wir bereits bekannt, denn er kämpfte auch im südserbischen Ort Lucane an der Pufferzone zum Kosovo. Da er und alle anderen Anwesenden prak-tisch fließend deutsch, serbisch oder mazedonisch sprechen, ist somit ein Dolmetscher nicht nötig.

Der lokale UCK-Kommandant mit dem Spitznamen „Rocki“ führt die sogenannte 112. UCK-Brigade, die den Namen Mujdiu Aliu trägt; dieser war der Sohn des Hausherrn und fiel im Kosovo-Krieg vor zwei Jahren. Rocki bezeichnet die UCK nunmehr als professionelle Streitmacht; anders als im Kosovo-Krieg würden die Rekruten nicht mehr in Albanien, sondern bereits im Raum Tetovo ausgebildet. Den Mazedoniern empfiehlt Rocki, den westlichen Verhandlungsvorschlag anzunehmen. Sollten die Mazedonier jetzt nicht zustimmen, müßten sie künftig über Grenzänderungen reden, sagt der Albaner. Die UCK sei nun der Generator der Entwicklung; denn ihre Kämpfer seinen aus allen Albaner-Parteien hervorgegangen. Vor der Bildung der UCK seien diese Parteien nicht auf der Seite des Volkes gestanden, doch das sei nun anders, betont der Kommandant. Seine Mitkämpfer werden noch deutlich; sie beschuldigen die etablierten Albaner-Parteien, von den Mazedoniern korrumpiert worden zu sein.

Zweifellos ist die UCK auch in Mazedonien zum politischen Faktor geworden; denn sie hat bewiesen, daß es genügend Albaner gibt, die bereit sind, für ihre Ziele zu kämpfen. Doch die militärische Kampfkraft ist trotz-dem nicht all zu hoch einzuschätzen; in dem Haus sind jedenfalls nur einige serbische Panzerminen sowie einige alte panzerbrechende Waffen und ein weitreichendes amerikanisches Scharfschützengewehr zu sehen. Allgegen-wärtig auch im Wohnzimmer sind natürlich die Kalaschnikows; chinesische Nachbauten, die offensichtlich aus Beständen der albanischen Armee stammen. Doch die mangelnde Feuerkraft wird durch Kampfeswillen, das günstige Gelände und die Schwäche der mazedonischen Streitkräfte wettgemacht; und für einen Bürgerkrieg reicht die Bewaffnung allemal; dessen sind sich auch die Freischärler im Wohnzimmer im Vorort von Tetovo bewußt. Während des Gesprächs läuft ständig der Fernseher; und so flimmert auch bei der UCK in Tetovo Arnold Schwarzenegger über den Bildschirm, der für ein deutsches Stromunternehmen Werbung macht. Zu sehen sind auch Ausschnitte von der Love-Parade in Berlin; doch bis in Tetovo und Mazedonien eine derart ausgelassene Stimmen herrschen wird wie in Berlin, werden wohl noch viele Jahre vergehen.

Tetovo - Vorort, nahtloser Übergang, kurzer Blick auf mazedonischen Kontrollpunkt, umfahren, schon ist man im Vorort Poroj, UCK Verkehrs- und Straßenkontrolle, sichtbar präsent, ganz anders als noch vor zwei oder drei Monaten, Ruderleiberl, Aufschrift – PU - Militärpolizei

Gespräch im Haus des Mannes, dessen Sohn im Kosovo-Krieg fiel und dessen Namen daher diese Einheit trägt – Mujdin Aliu – 112 Brigade, wobei dieser Begriff nicht die Stärke westlicher Streitkräfte widerspiegelt;

Gesprächskreis im Haus – acht bis 10 Männer, Gastgeber, Kdt, Hausherr nicht dabei Alter zwischen 18 und 40, wobei alle im Raum anwesenden erklären, aus Tetovo oder der Umgebung selbst zu stammen; jüngeren machen den Eindruck, noch aus der Schule gekommen zu sein, sie sprechen nicht;

Waffen im Haus: obligatorisch – AK, Pistolen, serbische Panzermine, Munition zur Panzerbekämpfung,

„Schwarzer Pfeil“ amerikanisches Scharfschützengewehr, über das auch die Mazedonier verfügen, 4.000 Meter Einsatzschußweite, 12,5 mm, 18 kg (19 Patronen hat er, Patronen sind gezählt)

Zitate Kommandant „Rocki“:

Beruf – Elektroingenieur

Bekannt, denn er hat schon in Südserbien gekämpft;

Frage, ob gemeinsames Leben mit den Mazedoniern noch möglich ist: „das liegt nicht an uns, sondern an Ihnen“

E-mail: www.tetovari.com
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